Verkehrsministerium baggert weiter

■ Umweltschützer brechen Gespräche zur Elbe-Erklärung ab, weil der Fluss weiter zur Wasserstraße ausgebaut wird

„Der Ausbau einer doppelten Wasserstraße ist ökonomisch und ökologisch unsinnig – vor allem bei knappen Kassen.“

Berlin (taz) – Weil die Elbe weiterhin ohne Rücksicht auf ökologische Belange ausgebaut werde, haben vergangene Woche die großen Umweltverbände ihre Gespräche mit dem Bund unterbrochen. Grundlage für die Gespräche zwischen den Umweltverbänden Nabu, BUND und WWF mit dem Bundesministerium für Verkehr (BMV), der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Ost und dem Bundesamt für Naturschutz war die 1996 gemeinsam unterzeichnete Elbe-Erklärung.

In dieser Erklärung hatte man sich darauf geeinigt, dass der Ausbau des Flusses zu einer Großwasserstraße aus ökologischen Gründen vermieden werden soll. Stattdessen sollte der Elbe-Seitenkanal als Wasserstraße für die immer größeren Binnenschiffe ausgebaut werden. Wasserbauexperte Georg Rast vom WWF-Aueninstitut schließt nicht aus, dass die Gespräche im Frühjahr wieder in Gang kommen. „Dafür muss die Wasserschifffahrtsdirektion aber ihre Hausaufgaben machen“, sagte er. Die Umweltverbände hätten zu den noch notwendigen Maßnahmen an der Elbe konstruktive Vorschläge gemacht, zum Beispiel zur Ufersicherung. Alle Vorschläge seien aber unter fadenscheinigen Gründen von der WSD abgelehnt worden, ohne dass dazu Alternativen angeboten wurden. „Das Ministerium will auch im nächsten Jahr die Bauarbeiten an der Elbe fortsetzen. Wir wollen nicht aus den Verhandlungen aussteigen, aber unter diesen Bedingungen kann es nicht weitergehen.“

Der Leiter der Arbeitsgruppe Elbe-Erklärung in der WSD-Ost, Klaus Beckmann, wies die Kritik der Umweltschützer zurück. „Parallel zur Elbe-Erklärung wurde seitens der Regierung immer daran festgehalten, dass die Elbe als Wasserweg benutzbar bleiben muss. Die bisherigen Maßnahmen haben die ökologische Situation nicht verschlechtert.“

Gleichzeitg wurden allerdings wissenschaftliche Untersuchungen in Auftrag gegeben, den Bau von Buhnen – Steindämme im Fluss zur Strömungsregulierung – an der Elbe ökologisch zu optimieren. Ergebnisse der Untersuchungen werden für das Frühjahr erwartet. Der Umbau der Buhnen sei aber letztlich auch eine finanzielle Frage. In den Augen von Georg Rast wird gleichzeitig der Ausbau der Elbe und des Kanals betrieben. „Der Ausbau einer doppelten Wasserstraße ist ökonomisch wie ökologisch aber unsinnig – vor allem angesichts der knappen Kassen“, moniert der Experte.

Die Elbe-Erklärung wurde 1996 von den Umweltverbänden als großer Erfolg gefeiert. Die Vereinbarung sei „ein Meilenstein im deutschen Naturschutz“ hatte damals der Vorstandsvorsitzende des WWF, Carl-Albrecht von Treuenfels gesagt, sie zeige die Dialogfähigkeit der Umweltverbände und die Offenheit des BMV. Wasserbauliche Maßnahmen im Elbegebiet zwischen Lauenburg und Magdeburg würden damit, das hofften die Umweltschützer, überflüssig werden.

Solange der Seitenkanal allerdings nicht vollständig nutzbar ist, sollten notwendige Unterhaltungsmaßnahmen für die Schifffahrt auf der Elbe in einer Arbeitsgruppe diskutiert werden. Zu diesen Arbeiten gehört der Bau von Buhnen und Uferbefestigungen. Beckmann wies darauf hin, dass die Erwartungen der Umweltschützer von Anbeginn falsch waren. „Der Elbe-Seitenkanal ist nur bei Niedrigwasser eine attraktive Alternative zur Elbe. Wenn der Fluss genug Wasser führt, wird jeder Schiffer aus Kosten- und Zeitgründen lieber die Elbe benutzen.“ Die Möglichkeiten, den Kanal für große Containerschiffe auszubauen, seien außerdem begrenzt.

Die Bilanz dieser Gespräche nach zwei Jahren im September 1998 war schon nüchtern, bevor der jetzige Tiefpunkt erreicht wurde: Vom Einstieg in eine neue, naturschonende Flusspolitik an der Elbe sei man meilenweit entfernt, resümierten damals die Umweltverbände und gaben die Hoffnung auf, mit der damals noch amtierenden Regierung einen besseren Schutz der Mittelelbe zu erreichen. Die neue Regierung scheint die Hoffnungen der Verbände offensichtlich auch nicht zu erfüllen. Die Bagger sollten vorerst ruhen, forderten die Umweltschützer am vergangenen Freitag das BMV auf. Auch das Bundesamt für Naturschutz hat dafür plädiert, die Bauarbeiten einzustellen, bis klar ist, ob die nachweislich schädlichen Auswirkungen auf die Flusslandschaft vermieden werden können.

Die Elbe gilt als letzter naturnaher Fluss Deutschlands. Die Auwaldreste, Altarme und Überschwemmungsflächen haben internationale Bedeutung für den Naturschutz, weil hier noch zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten zu finden sind. Seit 1998 ist die Elbtalaue als Biosphärenreservat der UNESCO anerkannt.

Maike Rademaker