Helmut Kohl wird immer unschuldiger

■  Die CDU ist in der Parteispendenaffäre weiterhin „um Aufklärung bemüht“. Unterlagen aus den Jahren 1994–96 bleiben verschwunden. Helmut Kohl hatte laut Parteichef Schäuble nur „beschränkte Kenntnisse“

Berlin (taz) – Auf die Erhellung der ins Zwielicht geratenen Kontoführung der CDU wird die Öffentlichkeit noch lange warten müssen. Gestern haben zwar die Wirtschaftsprüfer der Firma Ernst & Young die CDU-Spitze über den Stand der Untersuchung ihrer Finanzen unterrichtet. Auch der CDU-Ehrenvorsitzende Kohl soll in den Gremien eine längere Erklärung abgegeben haben. Auf einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz teilte der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble dann allerdings mit, dass verschiedene Unterlagen, vor allem aus den Jahren 1994 bis 1996, bis jetzt verschwunden blieben. Helmut Kohl habe versprochen, alles in seinen Möglichkeiten Stehende zu tun, um zur Aufklärung beizutragen.

„Kohls Kenntnisse sind beschränkt“, teilte Schäuble mit und erteilte dem Ehrenvorsitzenden die Absolution – auf Lateinisch: „Ultra posse nemo obligatur. Niemand kann zu etwas verpflichtet werden, was er nicht leisten kann“, erklärte der CDU-Vorsitzende. Mehrmals verwies Schäuble auf die Aufbewahrungsfristen für die Kontobelege in der Partei, die in einigen Fällen abgelaufen seien, sodass eine lückenlose Rekonstruktion kaum möglich sei. Weiter entlastete er den Ex-Kanzler mit historischen Hinweisen: Das Kontosystem sei schon „vor der Amtszeit von Kohl eingerichtet gewesen“, erklärte er. Kohls Amtsvorgänger Rainer Barzel habe das System in den Siebzigerjahren eingerichtet. Man werde sich um weitere Aufklärung bemühen.

Der Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler dementierte derweil einen Bericht der Zeit, nach dem er CDU-Chef Wolfgang Schäuble und Generalsekretärin Angela Merkel kurz nach ihrer Wahl im November 1998 vor möglichen schwarzen Kassen gewarnt und ihnen geraten hätte, dies nachzuprüfen. Bislang hatten Schäuble und Merkel versichert, erst am 26. November dieses Jahres aus der Zeitung von Kohls Kassensystem erfahren zu haben.

Im Vorfeld der gestrigen Präsidiumssitzung waren neue Informationen über das Kontensystem, das der CDU-Steuerberater Horst Weyrauch für die Partei angelegt hatte, bekannt geworden. Laut Süddeutscher Zeitung sollen allein bei der Frankfurter Hauck-Bank 17 Anderkonten geführt worden sein. Auch bei der Züricher Vontobel-Bank soll Weyrauch Gelder für die CDU geparkt haben. Weyrauch hatte Gesetzesverstöße durch die Geheimkonten der Partei unter Kohl eingeräumt.

Unterdessen gaben mehrere CDU-Landesverbände an, in ihren Unterlagen bislang nur ordentliche Buchführungen gefunden zu haben. Die niedersächsische CDU hat nach Angaben ihres Generalsekretärs Hartwig Fischer die Wahlkampfhilfe der Bundespartei von rund einer halben Million Mark im Jahr 1986 ordnungsgemäß abgerechnet. Der Spiegel hatte berichtet, das Geld sei aus einer schwarzen Kasse gekommen.

Der Vorsitzende des Landesverbandes Bremen, Bernd Neumann, erklärte, von Anderkonten gewusst zu haben. Er habe diese aber für ganz normal gehalten. Es sei nie nachgeprüft worden, von welchen Konten das Geld gekommen sei.

Für die CDU Hessen war Horst Weyrauch, der auch diesen Landesverband beriet, mehrmals in die Schweiz gereist: Dort habe er zwei Vermächtnisse von insgesamt rund sechs Millionen Mark für die CDU übernommen, teilte der Generalsekretär der Landesverbandes, Herbert Müller, in einer Presserklärung mit. Diese seien in den Rechenschaftsberichten ordentlich aufgeführt. Grünen-Sprecherin Gunda Röstel sagte dem Berliner Tagesspiegel, viele in der CDU spielten nicht mit offenen Karten: „So hätte Heiner Geißler, der schon lange etwas wusste, ja viel eher intervenieren können. Es leuchtet mir auch nicht ein, warum sein Nachfolger als Generalsekretär, Volker Rühe, von schwarzen Konten angeblich nichts gewusst hat.“ Heide Oestreich

Tagesthema Seite 3