Wie man Parteikonten kontrollieren könnte

■ Soll man Parteispenden verbieten? Soll man versuchen, sie zu kontrollieren? Eine Kommission, die das Finanzgebaren der deutschen Parteien überprüft, muss staatsanwaltliche Kompetenzen haben

Wenn an eine Kommission gedacht wird, dann müsste diese über Kompetenzen verfügen, müsste Kontrollmacht zugesprochen bekommen

Kein Zweifel: Der Altparteivorsitzende, der Altbundeskanzler hat in seiner Amtszeit das Gesetz gebrochen – und die Verfassung obendrein. Denn in Artikel 21 des Grundgesetzes heißt es klar und unmissverständlich, dass die Parteien „über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel ... öffentlich Rechenschaft geben“.

Helmut Kohl aber hat Spenden erhalten und innerparteilich verteilt, die nicht in den Rechenschaftsberichten der CDU verzeichnet waren und damit der Öffentlichkeit und den Journalisten vorenthalten wurden – wohl offenkundig zum Zweck des eigenen Machterhalts und der Machterweiterung.

Verständlich, dass heute die Forderung erhoben wird, das Parteiengesetz zu ändern. Doch erliegen wir hier nicht wieder einmal der treudeutsch-obrigkeitsstaatlichen Illusion, gesetzliche Regelungen würden automatisch greifen, könnten politische Mängel beheben, ja eine heile moralische Welt schaffen? Ist die Sache selbst überhaupt regelbar?

Politische Gelder, Mittel und insbesondere Spenden für Parteien und Wahlkämpfe vermeiden, ja umfließen alle noch so detaillierten Regelungen wie das Wasser die Steine und Felsen im Gebirgsbach. Das zeigen Beispiele in vielen Ländern. Und doch: Sollten aus „Kiep Kohl“ nicht auch Schlüsse für das Parteiengesetz gezogen, Änderungen angebracht werden? Selbst wenn derartige Bestimmungen erneut umgangen würden, so gäben sie wenigstens für recherchierende Journalisten Beurteilungskriterien zu dem Zeitpunkt her, an dem der nächste Skandal auffliegt. Dadurch würde die viel beschworene vierte Gewalt im politischen System der Bundesrepublik, nämlich die Presse, in ihrer Kontrollfunktion ein wenig gestärkt.

Mehrere Vorschläge sind in der Diskussion. Heiner Geißler, momentan besonders geeignet zu provozieren, da sein misslungener Putsch und der Rausschmiss als Generalsekretär durch Kohl 1989 noch einmal hochkochen, empfiehlt, Spenden ganz zu verbieten. Das ist leider in der politischen Realität nicht zu verwirklichen. Denn als Spende gilt nicht nur die eine Million Mark vom Waffenhändler – solche Großspenden machen im Übrigen nur einen geringen Prozentsatz der Spendeneinnahmen der Parteien aus –, sondern auch der Fünf-Kilo-Sack Bonbons, den der Supermarkt von nebenan für das Kinderfest einer Partei stiftet, oder der Fünfzigmarkschein, den die Altgenossin der Seniorenweihnachtsfeier zuwendet. Zudem: Die Unterscheidung zwischen Mitgliedsbeitrag und Kleinspende (nämlich jede Spende bis zur Grenze von 20.000 Mark, bei der die Veröffentlichungspflicht im Rechenschaftsbericht beginnt) lässt sich nicht immer machen. Jemand, der seiner Partei für den anstehenden Wahlkampf eine 6.000-Mark-Spende zukommen lässt, könnte das Geld auch auf 12 Monate Mitgliedsbeiträge zu je 500 Mark stückeln. Und gegen Mitgliedsbeiträge dürfte niemand etwas einzuwenden haben. Sinnvoller ist es da, Spenden von juristischen Personen, von Unternehmen, Verbänden, Vereinen ganz zu verbieten.

Doch die Umschiffung dieser Regelung ist – ohne viel politische Fantasie zu entwickeln – absehbar: Die Spende des Unternehmens oder des Verbandes wird über einzelne, „natürliche“ Personen, über Strohmänner an die Partei geleitet.

Vernünftig, wenn auch nicht einfach realisierbar, erscheint der Vorschlag der Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier, alle Politiker, alle Landtags- und alle Bundestagsabgeordneten zu verpflichten, die ihnen persönlich zukommenden Spenden auch bei ihrer Partei und für deren Rechenschaftsbericht zu deklarieren. Damit würde ein immer gravierenderes Problem an den Hörnern gepackt. Denn die Personalisierung der Politik bringt es auch mit sich, dass die vor Ort verwurzelten Abgeordneten für ihre Wahlkreisarbeit und für den Wahlkampf in den lokalen Stimmbezirken Spenden erhalten – von persönlichen Freunden, von Parteifreunden, aber auch von lokalen Unternehmen und von Interessengruppen. Alle, die die Parteien von innen her kennen und analysieren, wissen, dass diese Einnahmequelle immer kräftiger sprudelt. Da im Parteienstaat Bundesrepublik selbst ein populärer Politiker es nicht aus eigener Kraft, sondern nur aufgrund der Nominierung durch eine Partei ins Parlament schafft, ist es nur legitim zu verlangen, die ihm zufließenden Spenden auch bei seiner Partei anzumelden und entsprechend zu veröffentlichen. Die Frage wäre nur, ob sich die Abgeordneten und Parlamentskandidaten auch an diese Regelung halten bzw. wie sie unter Druck gesetzt werden könnten, dieses Gesetz zu befolgen.

Eine Ethik-Kommission hilft da wenig, selbst wenn Altbundespräsident und Altverfassungsgerichtspräsident Roman Herzog ihr vorsäße. Diese FDP-Anregung sticht vor allem durch ihre Naivität hervor. Gerade die Partei, die in der Geschichte der Bundesrepublik am tiefsten und nicht zufällig in Parteifinanzierungsskandale verstrickt war, meint, die Moral einfach einer Kommission überantworten zu sollen. Wird deren bloße Existenz dann für Sauberkeit, Einhaltung der Gesetze und Orientierung an – wie auch immer definierten – ethischen Maßstäben in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sorgen? Eine Kommission von und für Gutmenschen? Das Ganze klingt nach Beruhigungspille für die Öffentlichkeit.

Wenn schon an eine Kommission gedacht wird, dann müsste diese über Rechte und Kompetenzen verfügen, müsste Kontrollmacht zugesprochen bekommen, müsste Zähne haben. Hier könnten wir uns von Beispielen in anderen Ländern anregen lassen, so von der Federal Election Commission in den Vereinigten Staaten. Diese ist eine unabhängige Bundesbehörde, entfernt mit unserem Bundeskartellamt oder dem Bundesverfassungsgericht vergleichbar, deren Aufgabe es ist, das Finanzgebaren der einzelnen Kandidaten und der Parteien bei Präsidenten- und Kongresswahlen zu kontrollieren. Ihr muss regelmäßig, in kurzen zeitlichen Abständen und detailliert berichtet werden, von wem ein Kandidat wie viel Mittel erhalten und wofür er sie ausgegeben hat. Diese Berichte werden veröffentlicht.

Auf deutsche Verhältnisse übertragen könnte dies bedeuten, dass eine derartige Kontrollkommission staatsanwaltschaftliche Befugnisse erhält, zudem das Recht, von sich aus und ohne Vorankündigung zu recherchieren, zu kontrollieren, Einsicht in die Akten der Schatzmeister, der Parteiverwaltungen, der verschiedenen Gebietsverbände und vor allem in die Konten zu nehmen.

An der Spitze der Kontrollkommission könnten unabhängige Persönlichkeiten stehen, die ähnlich wie die Bundesverfassungsrichter gewählt werden – etwa auf Vorschlag des Bundespräsidenten durch eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Bundestages, u.U. auch des Bundesrates. Dieses Wahlverfahren würde sicherstellen, dass die Kommission nicht einseitig parteipolitisch besetzt wird und dass die bestellten Persönlichkeiten tatsächlich unabhängig sind. Hinzu käme, dass die Kommissionsmitglieder auf eine bestimmte Zahl von Jahren und getrennt von der Dauer der Legislaturperiode gewählt sind, dass sie an die Weisungen der Bundesregierung, des Bundestages, des Bundesrates oder des Bundespräsidenten nicht gebunden sind, sondern sie allein verpflichtet wären zu überprüfen und sicherzustellen, dass Parteien und Politiker die Bestimmung des Parteiengesetzes einhalten. Natürlich würden die Rechenschaftsberichte der Parteien an eben diese Kommission zur Prüfung gehen. Am wichtigsten: Die Kontrollkommission muss über Kompetenzen verfügen, scharf recherchieren können, muss Biss haben. Diese Kommission könnte dazu beitragen, dass der Geruch von Korruption, Bestechlichkeit, Käuflichkeit und innerparteilicher Manipulation, der heute über der bundesrepublikanischen Partei- und Wahlkampffinanzierung liegt, sich allmählich verflüchtigt. Denn noch verheerender als die Parteifinanzierungsskandale selbst ist das Gerücht über sie, das in das altdeutsche Ressentiment gegen „die Parteien“, gegen „die da oben“ mündet und irgendwann in Politik- ,ja Demokratieverdrossenheit umschlagen könnte. Nach „Kiep Kohl“ gilt es, die Legitimität bundesdeutscher Parteifinanzierung wieder herzustellen.

Peter Lösche

Peter Lösche ist Parteienforscher an der Universität Göttingen und hat zur Zeit eine Gastprofessur an der John-Hopkins-Universität in Bologna.