Klein-Kurdistan in Deutschland?

Die Kurdische Gemeinde fordert ihre Anerkennung als nationale Minderheit. 50.000 Unterschriften sollen Druck auf die Bundesregierung ausüben  ■   Von Eberhard Seidel

Berlin (taz) – Was den Kurden in der Türkei verwehrt wird, versuchen sie nun in Deutschland durchzufechten: die Anerkennung als nationale Minderheit. Zu diesem Zweck starteten die Kurdische Gemeinde und die Dachorganisation YEK-KOM gestern eine Unterschriftenkampagne. 50.000 Unterschriften sollen dem Petitionsausschuss der Bundesregierung vorgelegt werden, um eine Änderung ihrer Minderheitenpolitik zu erreichen.

„Die deutschen Staatsbürger kurdischer Herkunft wollen wie die Sorben, Dänen, Friesen, Sinti und Roma als nationale Minderheit in Deutschland anerkannt werden“, beschreibt das Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, Giyasettin Sayan (PDS), das Ziel. Bislang haben, mit Ausnahme der Sinti und Roma, nur Minderheiten ein Anrecht auf den Status, die vor der Gründung des Deutschen Reiches 1871 in geschlossenen Siedlungsräumen auf dem heutigen Territorium Deutschlands lebten und im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind.

Diese Interpretation, so Sayan, leite sich nicht automatisch aus dem am 1. 2. 1998 in Kraft getretene Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten ab. Da es auf internationaler Ebene noch keine rechtsverbindliche Minderheitendefinition gibt, überlässt es die Charta der nationalen Minderheiten“ den nationalen Gesetzgebern, eine Minderheitendefinition vorzunehmen. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes des Abgeordnetenhauses von Berlin ergab überraschend, dass es dem Rahmenübereinkommen nicht widerspreche, die Anwendung auf ethnische Minderheiten auszuweiten, deren Angehörige nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.

Heike Hildebrandt-Tekin, Sprecherin der kurdischen Dachorganisation YEK-KOM, appellierte deshalb an die Glaubwürdigkeit deutscher Politiker: „Es entbehrt jeglicher Logik, wenn diese die Türkei auffordern, den Kurden Minderheitenrechte zuzugestehen, sie ihnen aber hier verweigern.“ Im Einzelnen erhoffen sich die kurdischen Verbände finanzielle Förderung und das Recht auf Unterricht in kurdischer Sprache an öffentlichen Schulen, kurdischsprachige Sendungen in öffentlichen Rundfunk- und Fernsehprogrammen, kurdische Bibliotheken, Bücher und Zeitschriften.

„Politisch absurd“, nennt der Freiburger Staatsrechtler Dieter Oberndörfer die kurdische Initiative: „Man kann sich als Zuwanderer nicht als nationale Minderheit etablieren.“ Ein Staat, der auch den Minderheiten die verfassungsgemäßen Freiheiten garantiere, reiche völlig aus.