Fette liberale Welt

Kieler Wahlkampf im Netz, Teil 3: Die FDP hat den Finger am Puls der Zeit: Moderner geht es einfach nicht mehr  ■ Von Peter Ahrens

So wird das was mit den fünf Prozent. Ganz sicher, jede Wette. So spannend, so bunt, so unterhaltsam, so knallig, poppig beinahe. Sätze wie „Liberalismus bedeutet für uns junge Liberale zunächst eine Geisteshaltung und nicht das Bekenntnis zu einer Schicht der Bevölkerung“ oder der Fetzer: „Christel Aschmoneit-Lücke: Rot-Grüne Rahmenbedingungen gefährden das Handwerk“, die hauen rein, die sind ein Schlag in die illiberale Fratze des politischen Gegners. Ja, Kieler FDP, euer Internet-Wahlkampf unter www.fdp-sh.de setzt Maßstäbe.

Aber nicht alles ist pures Infotainment, nicht alles ist Show, auch Fakten in Hülle und Fülle sind da: Eben das, was man verlangt, wenn man modernes Marketing fürs Jahr 2000 einfordert. FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki war 1972 stellvertretnder Bundesvorsitzender des liberalen Hochschulbundes und hat 1982 sein ers-tes juristisches Staatsexamen abgelegt, steht da. Wow, spacig, total abgefahren. Ein Popstar in der Politik, ein Paradiesvogel, ein greller Farbtupfer in der politischen Landschaft. Liberaler Hochschulbund!! Das ist doch geil. Nein, lauter, GEIL.

Und weiter: „Die FDP will Schleswig-Hol-stein zur Drehscheibe im Ostseeraum machen.“ Das ist eine ganz neue politische Sprache, wie sie so noch nie da war. Kühn, groß, schneller noch als das Medium Internet selbst. Rainald Goetz-mäßig, Wahlkampf des nächsten Jahrtausends. Aber wen wunderts, wenn man als Partei der Zukunft so viel Augenmerk widmet. „Die Zukunft liegt in den Köpfen der jungen Schleswig-Holsteiner.“ Da liegt sie gut. Sehr, sehr gut.

Wer sagt, auf der liberalen Homepage herrsche stetig latente Brandgefahr aufgrund der Trockenheit? Das ist böse, das ist Verleumdung, das sind schmutzige Tricks wie einst, als all das in einer Schweizer Badewanne endete. Der Gegenbeweis: „Die FDP plädiert für einen Burgfrieden zwischen gegliedertem Schulwesen und Gesamtschulen“, verkündet sie: Man erzählt sich, junge WählerInnen liefen ob dieser kühnen Aussage den liberalen Geschäftsstellen die Türen ein und flehten um Beitrittserklärungen. Aber leider sind bereits alle vergriffen, nachdem im Internet veröffentlicht wurde, dass „die FDP auch in Zukunft den Rechtsstaat gegen alle Angriffe verteidigen wird“.

Dazu kommen hippe Stories aus den Kreisverbänden: „Zur Freude der Anwesenden überreichte Hans-Heinrich Rorig dem neuen Vorsitzenden einen Besen mit allerlei rot-grünem Schnickschnack.“ Ihr Pop-Literaten dieser Welt, packt ein, wechselt den Job, ihr habt dagegen keine Chance.

Und dann das höchste: Der liberale Adventskalender „Wir warten auf Weihnachten“. Total am Puls der Zeit, denn tatsächlich ist ja gerade Advent. Klickt man ein Kläppchen (man muss die Kläppchen nicht mal mehr mühsam öffnen wie früher, ein Mauseklick genügt – ist das nicht fett?) an, erscheint zum Beispiel „Völlige Aufgabe der Entbeamtungspolitik von Heide Simonis“ oder „westliche Elbquerung bei Glückstadt“. Yo, yo, yo.

Und über allem „Unser Ziel ist die Bürgergesellschaft, in der die leistungsfähigen und Leistungsstarken einen Teil ihrer Kraft für die Schwachen einsetzen.“ Soll das Motto der nächsten Love Parade werden.