Sport gegen Natur: Ein Endspiel?

■ Kungeln als Breitensport: Eine ostfriesische Kommune übt sich im Millionen-Jonglieren / Ein Schelmenstück

Glückliches Bremen. Hier hat der Umgang mit Finanzjongleuren ein hohes Niveau. Im ostfriesischen Leer dagegen übt man noch: Evenburg-Park, Evenburg, Meierhof und Westerhammrich. So heißen die ca. 120 ha Flächen und Gebäude der Begierde direkt hinter dem Ledaufer im Leeraner Vorort Loga. Die Burg, der Hof und der Park sind teilweise denkmalgeschützt, teilweise Naturdenkmale. Der Hammrich ist landwirtschaftliche Betriebsfläche. Über die Kulturlandschaft als Naherholungsgebiet oder bestes Bauland innerhalb der Stadt Leer gibt es seit Jahren Streit. Bislang haben Bürgerinitiativen eine Zerstörung der Feuchtwiesen, des Parkes und den Abriss des Meierhofes weitgehend verhindert. Jetzt wird der Streit um eine zukünftige Nutzung als Endspiel ausgefochten.

Der Kreissportbund (KSB) Leer möchte im ehemaligen Bauernhof, dem Meierhof, ein Sportzentrum einrichten. Dies freut den Eigentümer der Gebäude und Flächen, den Landkreis Leer. Denn das Gemäuer bröckelt still vor sich hin. Der Landkreis hat kein Geld, um es zu sanieren. Außerdem stehen hinter dem KSB über 50.000 Mitglieder aus diversen Sportvereinen im Kreis. Parteiübergreifend ist die Mehrzahl der Kreistag-Frauen und Männer, die über die Vergabe des Hofes an den KSB zu befinden haben, in den KSB-Sportvereinen aktiv. Diese Macht im Rücken sollte KSB-Chef Bernd Lüning eigentlich ruhig schlafen lassen. Doch seine Nerven liegen blank: „Der Landkreis und ich machen das schon. Ich sage dazu nichts“, poltert er zu den Fragen der taz.

Das Lüning-Konzept besagt: Wir tun für Alte, Junge, Behinderte, Kriminelle, Ehrenamtliche Gutes und wir haben das Geld dafür, als gäbe es in der Region nicht an jeder Ecke einen Sportverein mit eigenen Anlagen und breiten Angeboten. Trotzdem: Die Aussage „Ich habe das Geld dafür“ ruft bei regionalen PolitikerInnen erfahrungsgemäß einen Pawlovschen Reflex hervor. Nur: Weit her ist es mit dem Geldsegen des KSB nicht. Rund drei Millionen Mark plant der Sportbund für Sanierung und Umbau des Meierhofes ein. 650.000 Mark davon sollen Landkreis, Stadt Leer und Gemeinden zahlen. Das Problem: Die wollen so gar nichts davon wissen. „Wir haben kein Geld. Wir haben keine Zuschüsse zugesagt. Unsere Haushaltsberatungen finden erst im Frühjahr statt“, sagt der Sprecher des Landkreises, Dieter Bakker. Dumm nur, dass in zehn Tagen der Kreistag über das Sportzentrum entscheiden soll.

1,3 Millionen Mark erhält der KSB vom Amt für Agrarstruktur, sagt Kreissportchef Lüning. Leider weiß auch dieses Amt nichts davon: „Wir haben keine Zusagen gemacht“, stellt ein Sprecher des Amtes in der Öffentlichkeit immer wieder klar. Als sichere Bank galten bislang Fördergelder der Sportverbände selbst. 540.000 Mark soll der Landessportbund (LSB) zur Verfügung stellen. „Die sind sicher“, sagt Sportfunktionär Bernd Lüning. „Die sind überhaupt nicht sicher“, sagt dagegen der LSB-Geschäftsführer in Hannover, Norbert Engelhard, zur taz. Und weiter: „Wir haben das Geld nicht. Wir haben beim Land Niedersachsen Gelder für uns beantragt, mehr nicht.“ Zusagen an Leer, so Engelhard, gäbe es jedenfalls nicht.

Als Eigenmittel möchte der Kreissportbund über 100.000 Mark in die Finanzierung seines Sportzentrums einbringen. Diese sollen teilweise dadurch abgegolten werden, indem Bernd Lüning selbst die Bauleitung übernimmt. Welchen Beitrag der Kreissportchef für welche seiner Leistungen einsetzt, kann oder will er nicht sagen. „Das entscheidet der Landrat, der kann mich ja auch für die Bauleitung freistellen.“ Lüning ist als Leitender Angestellter des Landkreises für den Bau und die Überwachung sämtlicher Kreisstraßen zuständig.

„Ein sensibler Bereich“, meint Dieter Bakker, Sprecher des Landkreises. „Wir haben überhaupt nicht darüber geredet, in welcher Form Herr Lüning seine Tätigkeit als Bauleiter ausüben kann. Eine Vermischung seines privaten Engagements mit seinen Dienstpflichten kann es natürlich nicht geben“, meint Bakker.

Tatsächlich wäre ein klärendes Gespräch zwischen Landrat und Lüning nicht schlecht. Denn Betriebskosten für das Sportzentrum hat Sportler Lüning erst gar nicht aufgeführt. Der Landkreis betont immer wieder, für Folgekosten werde er nie aufkommen.

Konkurrent des KSB ist die Schutzgemeinschaft Evenburg-Park und Logaer Westerhammrich. Die befürchtet, ein Sportzentrum könnte das ganze Evenburg-Ensemble zerreißen und der Bebauung des angrenzenden Hammrichs Vorschub leisten. Die Schutzgemeinschaft möchte das ganze Areal schützen und entwickeln. Im Falle des Parkes ist ihr das schon gelungen. Auf eigene Kosten erstellte die Initiative ein Parkpflegewerk, das jetzt Grundlage für den Landkreis ist, den ehemals englischen Landschaftsgarten wiederherzustellen.

„Uns kommt es darauf an, das gesamte Ensemble langfristig zu sichern,“ meint Gruppen-Sprecherin Anke Boekhoff. Ein ökologisch arbeitender Bauer soll auch landschaftspflegerische Aufgaben übernehmen. Eine Gastwirtschaft und eine Bäckerei sind geplant. Das Projekt wäre ein Glanzstück in der Lokalen Agenda 21, meint die Gemeinschaft. Knackpunkt ist aber auch das Geld. Rückgrad ist der Vorschlag, die Stadt Leer solle dem Landkreis den Hammrich abkaufen und ihn als Flächenpool für Ausgleichsmaßnahmen ausweisen. Nur: Der Landkreis verlangt schlappe elf Millionen Mark und die will die Stadt nicht bezahlen.

„Wir wollen sicherstellen, dass mit unserem Öko-Konzept Park und Hammrich langfristig nicht bebaut werden und für die gesamte Öffentlichkeit als Naherholungsgebiet erhalten bleiben“, wünscht sich Anke Boekhof. „Ich mach das schon“, hält Sportler Lüning mit seinem Sportzentrum dagegen. Und: „Ich hab schon ganz andere Sachen gemacht.“ Stimmt. In einer Nachbargemeinde war er am Bau einer Sportanlage beteiligt. Die wurde teilweise in ein Landschaftsschutzgebiet hineingebaut. Der Ärger war groß. Konsequenzen: keine. Thomas Schumacher