Schwebezustand

■ Vera Sturm inszeniert Shakespeares „Was ihr wollt“ allerliebst in der Company

Nachts an der Laterne, vor dem großen Tor, stand an der Kaserne ... Auch die Menschen in Illyrien warten auf die große Liebe wie auf Godot, bewacht von einer Laterne – eines der ganz wenigen Bühnenelemente in der neusten Inszenierung der Shakespeare Company. Erleuchtet sind sie aber nicht, eher konfus; aber wenigstens nicht so tieftraurig wie einst Lili Marleen. Die Konstellation von „Was ihr wollt“ ist die von Schnitzlers „Reigen“. Jede/r liebt. Doch den/die es trifft, liebt eine/n anderen. Aber weil man sich in einer Komödie befindet, stellt sich diese grausame Disharmonie der Welt am Ende als Schein heraus. Kaum gibt Viola ihre Verstellung und männliche Verkleidung auf, fügt sich alles aufs Beste: Die Paare passen zusammen wie die Teile eines Puzzlespiels für Kinder ab drei Jahre. Ein Weltbild, das uns in der Epoche des Singletums fern ist wie goldlockige Engelchen im Himmel. Und auch die Verwirrtheit eines Menschen, der wie Viola/Cesario eine Doppelrolle zu spielen hat, ist heute nur mit einiger Anstrengung nachzuempfinden; müssen sich doch zeitgeistige Helden in „Total recall“, „Matrix“, „Fightclub“ mit viel grusligeren Ich-Bedrohungen herumplagen: dem prinzipiellen Virtualitätsverdacht aller Gefühle, Doppelgängern, multiplen Persönlichkeiten.

Nur gut, dass „Was ihr wollt“ von Vera Sturm weniger sinnbohrend als leichtfüßig und detailverliebt inszeniert wurde. Nur gut, dass ihr dabei Klasseschauspieler zur Seite stehen. Jede sprachliche Raffinesse wird unterstrichen durch eine gestische Tändelei; da wird verschleiert, entschleiert, Huckepack gespielt, Baumdasein simuliert und in tausenderlei Weise getatscht, gegrabscht, gerobbt, mit Armen gefächelt. Und manchmal wird Text auch persifliert. Ein Satz wie „Oh Zeit, du musst das entwirren“, kann nicht allen Ernstes dastehen; also bekommt er einen Esoteriker-Kopfstand zugeordnet. Überhaupt die Sache mit dem Ernst und Unernst: Es ist ein Schwebezustand zwischen Mitleid und Belustigung, Nähe und Distanz, in der diese Inszenierung den Zuschauer hält gegenüber den drei hohen Herrschaften (gekonnt zwischen Stolz und Demut pendelnd: Susanne Höhne; die Pathos-schwangere Rolle mit einem lustigen Phlegma kontrapunktierend: Martin Schwanda; weich und rührend: Annette Ziellenbach). Schließlich haben diese halbverlogenen Leidenden nichts anderes verdient.

Norbert Kentrup, der alte zerrupfte Teddybär im feingliedrigen, jungen Ensemble, meldet sich vom Londoner Globe Theatre zurück mit einem fulminanten Rülpser, der prompt Zwischenapplaus einfährt. Naturgemäß gibt er den Bierfreund Sir Toby, im steten Kampf mit seinen Hosenträgern. Doch trotz Rülpser: Auch das Spaßquartett (grandios schlau, überlegen und doch warmherzig Sylvia Kühn; sympathisch linkisch Christian Aumer, gekonnt eklig Dagmar Palupa) poltert nicht grob, sondern feingeistig.

Diese Inszenierung verzichtet auf die Company-typischen Mehrfachbesetzungen. Fast. Bei den Zwillingen Viola und Sebastian wird die embryonale Zellteilung rückgängig gemacht. Aus zwei Ähnlichen wird eins. Das macht die vielen Verwechslungen um das Geschwisterpaar nachvollziehbar, erzeugt aber inszenatorische Probleme am Schluss. Da aber das Happy End in Shakespeares bekanntester Komödie eh jedem geläufig ist, stört das nicht. Diese Inszenierung entfernt sich vom lauten Volkstheater. Verfremdungen, Umdeutungen oder andere Modernismen verkneift sie sich aber. bk

Theater am Leibnizplatz 11.,15.,17.,19.,26.12, 19.30h