Hey Mr. Chatting-Man, ich bin 'ne heiße Sau!

■ Das Arbeitsamt Verden vermittelte Arbeitslose als „Bürofachkraft“ an eine Firma in Weyhe, die Live-Schreiber für Erotik-Chats im Internet suchte

Sex sells – gerade im WorldWideWeb. Weil das auch immer mehr Firmen so sehen, werden auf dem Arbeitsmarkt händeringend MitarbeiterInnen gesucht: Die schummrigen Internet-Seiten wollen gepflegt oder Werbekunden gesammelt sein. Und: Chat-Foren brauchen heisse Miezen und sexy Typen, die schriftlich, live und gegen Gebühr www-Besuchern über ihre Sexpraktiken berichten. Hauptsächlich Männer rubbeln sich dabei einen.

Drei Arbeitslose bekamen unlängst einen Job als „Bürofachkraft für die Beantwortung von Kundenanfragen im Internet“ von ihrem zuständigen Arbeitsamt in Verden vermittelt. „Das ist eine nette Umschreibung für den Job eines/einer ChatterIn im Erotik-Bereich“, schreibt eine anonyme „empörte Bremerin“ auf die Diskussionsseiten der Bremer Internet-Seite www.bremen.de.

„Unverschämt“ sei, dass die Firma ihre Mitarbeiter über das Arbeitsamt sucht – denn das Arbeitsamt gibt die Jobangebote an Arbeitslose weiter. Lehnen die einen Job ab, können ihnen Arbeitslosenhilfe und -geld gestrichen werden.

Die „empörte Bremerin“ brachte damit einen Stein ins Rollen. Es entwickelte sich eine Diskussion im Internet, ob das nun eine Sauerei sei oder nicht. Chatterin Sabine hofft, dass es eine Arbeitslosen-Ini-tiative gibt, die sich des Themas annimmt. Marie entgegnet, dass man nicht einerseits die Annerkennung der Prostitution verlangen, andererseits den Cybersex als „unanständige Ware“ bezeichnen könne. „Warum kann eine arbeitssuchende Frau diesen Job nicht ganz normal ablehnen“, fragt sie.

Auch im Arbeitsamt Verden begann man zu recherchieren. Tatsächlich hatte man drei Personen aufgefordert, sich bei der Internet-Firma in Weyhe vorzustellen. Wenig später überzeugten sich die Arbeitsamt-Mitarbeiter vor Ort mit eigenen Augen: Die Jobs, die sie vermitteln wollten, waren mit „Bürofachkraft“ eher unzureichend beschrieben. Da saßen überwiegend männliche Studenten vor Computern und füllten die Erotik-Chats mit Anzüglichem, berichtet Heiko Peters, Abteilungsleiter beim Arbeitsamt in Verden. „Uns war vorher nicht bekannt, dass es sich um Stellen im Erotik-Bereich handelt“, sagt der Abteilungsleiter, der eigentlich erwartet, „dass uns die Firmen eine angemessene Stellenbeschreibung geben“.

Das Jobangebot wurde beim Arbeitsamt gelöscht. Als auch der Rest der Job-Angebote daraufhin überprüft wurde, fanden die Beamten eine weitere erotische Stellenausschreibung in ihrer Datei, die ebenfalls gelöscht wurde. „Solche Stellenangebote hat es früher einfach nicht gegeben. Jetzt schauen wir genauer hin.“ Sperrzeiten seien keinem der drei arbeitslosen Vermittelten angedroht worden. Das sei auch gar nicht zulässig, erklärt der Abteilungsleiter: Eigentlich nehmen Arbeitsämter keine Stellenangebote an, die nicht “den guten Sitten“ entsprechen. Und was das sei, ist in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgehalten, in dem es um Telefonsex ging – durchaus vergleichbar also.

Der Geschäftsführer der Firma in Weyhe „kann die Aufregung nicht so ganz verstehen“. Man habe nicht bedacht, ob die Arbeit „sittenwidrig“ sei, als man die Stellen in Printmedien, im Internet und beim Arbeitsamt ausschrieb: „Hardcore machen wir nicht!“ Im Vergleich zu Sexblättchen am normalen Zeitungskiosk täte man schliesslich auch nichts Anrüchigeres. Zwingen wolle man niemanden zu diesem Job. cd