Ideen offline, kaufen online

■ Erst wenige nutzen das Internet als Weihnachtsmarkt. Die Kunden brauchen die Erlebniswelt und wollen anfassen, nicht anklicken

Warum sich in den Weihnachtsrummel stürzen? Es geht auch anders. Übers Internet. Man sitzt zuHause am Computer – oder knappst ein paar Minuten von der Arbeitszeit ab –, macht ein paar Mausklicks, und schon ist der Wunschzettel abgearbeitet.

Wie die Läden sind auch die Web-Sites adventlich geschmückt, alles blinkt und glitzert. Große Internet-Kaufhäuser wie Amazon.com haben sogar eigene Weihnachts-Shops. Dort greifen sie dem Verbraucher mit Geschenkideen unter die Arme: Er muss sich bei www.amazon.de nur für ein Produkt, etwa Buch, entscheiden. Und dann überlegen, unter welche Zielgruppe der Adressat wohl fällt. Ist er ein Heimwerker oder Autonarr, Abenteurer oder Langeweiler ? Ein Kurzporträt definiert letzteren als Mensch, der bei jeder Party in der Ecke sitzt und Briefmarken sammelt. Dem sind Bücher zu schenken, die ihn mental voranbringen und zu einem unterhaltsamen Gesprächspartner machen, etwa „Small Talk. Die hohe Kunst des kleinen Gesprächs“ für 16,90 Mark. So leicht geht das. Noch einfacher ist ein Geschenkgutschein, mit dem auch Freunde in Brasilien beglückt werden können. Eine E-Mail von Amazon.com informiert den Empfänger automatisch.

Obwohl das Internetgeschäft immer noch weniger als ein Prozent des Gesamtvolumens ausmacht, verzeichnet der deutsche Einzelhandel bereits Zuwächse in den Bereichen CD und Software. So spürt Karstadt bereits seit August Umsatzsteigerungen bei seinem virtuellen Warenhaus „My world“ (www.my-world.de). Einen „steten Zuwachs im Dezember“ vermerkt auch das nur im Netz zu findende Solarkaufhaus (www.solarkaufhaus.de), in dem knapp 150 Artikel von Büchern über Schmuck bis hin zu Yachtzubehör angeboten werden. „Gerade bei Kleingeräten oder Solarschmuck gehen die Bestellungen in die Höhe“, berichtet der Projektleiter des Solarkaufhauses, Andreas Lausch. Besonders begehrt: der steckdosenunabhängige Milchschäumer.

Bei drei bis vier Einkäufen pro Tag sei der Bereich Solarenergie allerdings „erst noch im Kommen“: Letzteres scheint auch für das Weihnachtsgeschenk-Shopping im Internet allgemein zu gelten. „Sachen möchte man sich erst mal ansehen“, sagt Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. Da ist die kleine Abbildung und Produktbeschreibung im Internetshop keine richtige Alternative.

So schließt Marc Wieland zwar grundsätzlich nicht aus, Geschenke im Internet zu kaufen – „wenn es dort etwas gibt, was ich woanders nicht bekommen kann.“ Aber die letzten Jahre hat er die Weihnachtsgeschenke klassisch im Geschäft gekauft, und auch in diesem Jahr wird er nicht online stöbern. „Theoretisch bin ich ein Fan des Internet“, sagt der 29-jährige studierte Architekt. „In der Praxis mache ich aber wenig Gebrauch davon. Wenn ich Bücher kaufe, will ich auch darin blättern.“ Außerdem sei das Surfen im Internet „nervig“ und “langatmig“.

Für wen das Schenken im Internet nicht das Richtige ist, kann auf andere Weise Gebrauch von ihm machen: So liefert etwa My World den Weihnachtsbaum nebst Schmuck nach Hause, inklusive Pflegetipps auf der Website. Eine Postkarte zum Fest kann man kostenlos über www.firecard.de verschicken. Und unbeliebte Geschenke sind ab dem 24. Dezember über www.versteigern.de loszuwerden.

Wenn der bequeme Weg des Internetshoppings in der Weihnachtszeit nicht öfter gewählt wird, dann hat das auch mit dem fehlenden Erlebniswert zu tun. Ob man nur ein eindimensionales Bild auf dem Bildschirm hat oder das Produkt in den Händen – das ist ein Unterschied. Andreas Lausch vom Internet-Kaufhaus meint, dass die Möglichkeit der 3D-Gestaltung im Internet noch viel stärker genutzt werden müsse.

Vielleicht aber ist das Internet einfach zu wenig inspirierend. „Für mich ist es kein Medium, in dem ich mir Ideen suche“, sagt die 23-jährige Studentin Daniela Slavik, die das Internet durchaus für das Studium oder sonstige Informationsbeschaffung nutzt. „Ich würde niemals auf die Idee kommen, im Internet nach Weihnachtsgeschenken zu suchen“, sagt Slavik. Und Lausch selbst räumt ein: „Wenn man eine Idee hat, dann ist das offline.“

Karen Wientgen