Die Gitarre im Aktenköfferchen

■ Leistung muss sich wieder lohnen: Die Postrock-Band Salaryman im Roten Salon

Schon wieder kein Gesang. Schon wieder hunderttausend Abziehbilder von Rock, Jazz, Jazzrock und so weiter, die man übereinander klebt, um sie im nächsten Augenblick schon wieder gewaltsam voneinander zu trennen. Wohin soll das noch führen mit diesem Ding called Postrock? Hallo, gibt es da draußen überhaupt noch eine Band, die keinen Postrock macht? Dabei gehören Salaryman zu den Guten, das auf jeden Fall. Sie kommen nicht aus Chicago, das vorneweg. Sie sind dementsprechend weder total abartig, wie etwa die Flying Luttenbachers, noch versuchen sie, hemmungslos den Hornbrillen-Quotienten in Band und Publikum in die Höhe zu treiben, indem sie so tun, als seien sie eine Musikdozenten-Band wie etwa Tortoise. Salaryman sind eher so in der Mitte. Nicht ganz weit draußen, aber auch ohne virtuelle Notenständer.

Salaryman wissen, wie trocken die Angelegenheit Postrock sein kann. Deshalb tun sie alles, um für ihren musikalischen Gemischtwarenladen bedingungslos das Frische-Zertifikat verliehen zu bekommen. Das geht los bei Styles und sarkastischen Japan-Fakes. Ein Salaryman ist in Japan der sprichwörtlich devote Aktenköfferchen-Träger. Diese Ameise im Heer der fleißigen Arbeiter, dessen glücklichster Moment im Leben das gemeinsame Abendessen mit dem Chef ist. Zu speisen beginnt er dort erst, wenn sich sein Vorgesetzter den ersten Bissen einverleibt hat. Dementsprechend heißt die aktuelle Platte von Salaryman auch „Karoshi“. Was im übertragenen Sinne „Tod durch Überarbeitung“ heißt, ein Begriff, den es so nur in Japan gibt. Außerdem schmückt das Plattencover des aktuellen Werks ein Yin-Yang-Button, in dessen Zentrum sich zwei angedeutete Dollar-Zeichen tummeln. Hier wird es richtig sozialkritisch: Den Kampf der Zeichen entscheidet im Zweifelsfall auch in der japanischen Arbeitswelt stets der Dollar für sich.

Auf der Bühne treten die vier Musiker der Band aus Illinois dann gerne selbst als Salarymen auf. Mit Anzug, weißem Hemd und Krawatte. Sie selbst werden dabei zu Arbeitstieren. Das müssen sie werden. Denn dieses Volldampf-Gegroove, das sie erzeugen, kostet einfach Schweiß. Ohne Pause wird rumgeorgelt, werden Synthies gequetscht. Doch die Sache rockt auch richtig, mit treibendem Schlagzeug, Working-Bass und so. Dafür werden sie bezahlt. Die Band ist der musikalische Dienstleister, die Show ihr Produkt, nur Leistung zählt. Und wird die nicht erbracht, wollen wir unser Geld zurück. Andreas Hartmann

So. ab 22 Uhr, Roter Salon, Rosa-Luxemburg-Platz