In Hellersdorf kommen Spendierhosen in Mode

Im östlichsten Stadtbezirk regiert der PDS-Bürgermeister Uwe Klett mit absoluter Mehrheit. Geringe Arbeitslosigkeit, hohes Einkommen und eine generöse Sozialpolitik zeichnen den Stadtteil aus. Die Opposition wirft dem PDS-Mann eine unseriöse Haushaltspolitik vor    ■ Von Christoph Rasch

An uns kommt jetzt keiner mehr vorbei“, sagt Gregor Gysi und erntet selbstzufriedenes Nicken in der brechend vollen Parteizentrale der Hellersdorfer PDS. Im Plattenbaukarree, 600 Meter vor der Stadtgrenze, freut sich Gysi über das „zunehmend positive Image“ seiner Partei. Damit das so bleibt, schwört der Bundestagsfraktionschef die Basis auf seinen Reformkurs ein: Bekenntnis zum Markt, mögliche Zustimmung zu Kampfeinsätzen unter dem Mandat der Vereinten Nationen. Die 150 Delegierten applaudieren.

Hausherr Uwe Klett, seit 1995 Bezirksbürgermeister von Hellersdorf, kann in der Reformfrage längst Vollzug melden. Sein Bezirksverband sei „schon kurz nach der Wende gründlich reformiert“ worden. Und auch den Bezirk Hellersdorf kann Klett von nun an nach Herzenslust reformieren. Seit den Wahlen im Oktober regiert die PDS hier mit einer absoluten Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). 45,2 Prozent der Hellersdorfer gaben den Sozialisten ihre Stimme.

Klett will die PDS-Mehrheit „strategisch sinnvoll“ ausnutzen. „Im sozialen Bereich nutzen wir die Macht aus Überzeugung.“ Bisher profitieren davon die Kinder- und Jugendeinrichtungen im Bezirk. Die rund 35 Projekte sollen im nächsten Jahr mit 5 Millionen Mark bezuschusst werden.

Die soziale Ader des Bezirksbürgermeisters steht im Widerspruch zur Kassenlage. Ein Haushaltsplan ist bisher nicht verabschiedet. Doch bereits jetzt steht fest, dass der Senat den veranschlagten Hellersdorfer Etat von 87 Millionen Mark für das Jahr 2000 nur noch zur Hälfte finanzieren wird. Kletts Bezirksamt sieht in dieser Mittelkürzung einen Verstoß gegen die Berliner Verfassung und geht gerichtlich dagegen vor.

Die freien Träger sollen ihr Geld trotzdem bekommen. Dafür sorgte nicht nur der gute Willen der PDS, sondern auch Druck von der Straße. Mit Trillerpfeifen, Flugblättern und Spruchbändern zogen rund 100 Jugendliche vor vor das Rathaus, während drinnen die Fraktionen über den Etat verhandelten. Am Ende sicherte die PDS-Mehrheit die Zuschüsse. Von der Opposition hagelte es dafür Kritik. „Solche Aktionen sind kein seriöser Ansatz für die Haushaltspolitik“, urteilt CDU-Fraktionschef Svend Simdorn.

Bei den Betroffenen sorgt die Sozialpolitik im PDS-Bezirk dagegen für Begeisterung. „Trotz Wegfall der ABM-Stellen versucht die PDS, die sozialen Strukturen zu erhalten“, lobt Heidrun Römer, Sprecherin des Zusammenschlusses der freien Träger in Hellersdorf. „Kein einziges Projekt ist in den vergangenen Jahren dichtgemacht worden.“

Auch die Rektorin der Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit, Christine Labonte-Roset, ist inzwischen von der Praxis der PDS überzeugt. „Den sozialen Bereich auch gegen politische Widerstände zu fördern, ist richtig und notwendig“, sagt die Soziologin. Für sie war das Agieren der PDS sogar ein Grund, ihre Ressentiments gegen die Ansiedlung ihres Instituts im PDS-dominierten Bezirk abzulegen. Früher hatte sie die Grundsteinlegung des schicken Neubaus gegenüber dem Einkaufskomplex „Helle Mitte“ boykottiert. Heute fühlt sie sich in Hellersdorf „fest verankert“.

Aber Klett will auch die Wirtschaft im Bezirk auf Touren bringen. Demonstrativ sucht die Hellersdorfer PDS den Weg in die alternative Strukturförderung. „Stadtraum Ost“ heißt eine gemeinsame Initiative der PDS in Hellersdorf, Marzahn, Lichtenberg und Hohenschönhausen, mit der der Bezirk wirtschaftlich gestärkt werden soll. „Dass sich die PDS der Wirtschaft verschließt, ist ein Mythos“, sagt der PDS-Stadtrat Heinrich Niemann. Kritiker meinen sogar, dass die Partei mit ihrer Investorenfreundlichkeit über das Ziel hinausschießt. „Das Bezirksamt denkt zu einseitig und wirtschaftslastig“, sagt Kurt Hövemanns, Leiter der Hellersdorfer Zukunftswerkstatt, einem vom Bezirksamt unterstützten Planungsprojekt.

Die PDS als Wirtschaftspartei? Das erst 1986 gegründete Hellersdorf ist jedenfalls kein Problembezirk. Die Arbeitslosenquote liegt mit rund 12 Prozent unter dem Berliner Durchschnitt. Mit einem Haushalts-Nettoeinkommen von 3.350 Mark bewegt sich Berlins jüngster Bezirk im Spitzenfeld.

Für die angesiedelten Unternehmen sind die Aussichten trotzdem alles andere als rosig. Den rund 100 mittelständischen Betrieben „steht das Wasser oft bis zum Hals“, wie ein Unternehmensberater beklagt. Er kritisiert die bezirkliche Unterstützung durch Beratung und Lohnkostenzuschüsse als unzureichend.

Für Bürgermeister Klett ist der Lösungsweg klar: „Wir müssen an die strategischen Ressorts ran“, so die vollmundige Forderung. Heißt: Die PDS will in den nächsten Monaten den Stadtratsposten für Wirtschaft, Wohnen, Bauen und Verkehr übernehmen. Der ist derzeit noch vom SPD-Mann Bernd Mahlke besetzt. Für Klett offenbar kein Problem. „Letztlich entscheidet hier die PDS, wer wo Stadtrat wird“, meint er lakonisch. Mahlke, seit 1990 Stadtrat und Ex-Bürgermeister, hält die Versprechen der PDS für heiße Luft. „Die PDS hat auch keine Konzepte, die den Mittelstand segnen könnten.“

„Und warum“, fragt Mahlke, „hat die PDS das Wirtschaftsressort dann nicht schon früher übernommen?“