Klaus geht, Klaus kommt

■  Mit knapper Mehrheit hat die SPD den Finanzexperten Klaus Wowereit zum Fraktionschef gewählt. Parteichef Peter Strieder dagegen musste bei seiner Wahl zum Bausenator bangen

Die Sozialdemokraten haben ihren finanzpolitischen Kurswechsel wieder abgeblasen. Noch während die scheidende Senatorin Annette Fugmann-Heesing auf Geheiß der Genossen ihren Schreibtisch an den CDU-Nachfolger Peter Kurth übergab, wählte die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus den vehementesten Verfechter des Sparkurses zu ihrem Vorsitzenden. Der 46-jährige Haushaltsexperte Klaus Wowereit konnte sich mit 23 gegen 17 Stimmen gegen den Gewerkschafter Hermann Borghorst durchsetzen, der als Vertreter einer laxeren Linie gilt. Mit der Wahl hatte die SPD gewartet, bis der scheidende Fraktionschef Klaus Böger auch wirklich zum Schulsenator gewählt war.

Solche Vorsicht hat ihren Grund – das hatte erst am Vorabend die Wahl des SPD-Landesvorsitzenden Peter Strieder zum Senator für Bauen, Wohnen, Verkehr, Stadtentwicklung und Umwelt gezeigt: Mit 86 Ja- und 74 Neinstimmen erreichte er die erforderliche Mehrheit nur knapp, rund 30 Abgeordnete von CDU und SPD verweigerten ihm die Gefolgschaft. Den lakonischen Kommentar zur Wahlschlappe hatte sich der angeschlagene Parteichef wohl schon vorher zurechtgelegt: „Ein gutes Pferd springt knapp.“

Auch Wowereit ließ gestern erkennen, dass sich der „Supersenator“ auch gegenüber der Fraktion erst noch beweisen muss. Die 100 Millionen Mark, die der Senat für die Sanierung von Schulgebäuden ausgeben will, müsse Strieder aus dem eigenen Etat zusammenkratzen. Neben überhöhten Baukosten in Berlin kritisierte Wowereit den wenig koordinierten Mitteleinsatz für die soziale Stadtentwicklung – ein Bereich, für den Strieder schon bisher zuständig war. Gleichzeitig ließ der neue Fraktionschef erkennen, dass er möglicherweise den Vorsitz im parlamentarischen Haushaltsausschuss übernimmt. Dann wäre er der Widerpart des neuen Finanzsenators Kurth. Ob die beiden als Verbündete oder Gegenspieler agieren, wird davon abhängen, wie weit sich Kurth den Ausgabegelüsten seiner eigenen Partei unterordnen muss. „Es gibt schwarze und rote Zahlen“, dämpfte der Senator solche Gelüste vorsorglich, „aber keine christlich-demokratischen und sozialdemokratischen. Die Zahlen sind geblieben, die Konsolidierungszwänge auch.“

Fugmann-Heesing, die ebenfalls für den Haushaltsausschuss im Gespräch war, wird nach Wowereits Worten „im Wissenschafts- und Kulturbereich ihren Schwerpunkt finden“. Schon vor ihrem erzwungenen Abgang hatte die SPD-Politikerin gefordert, Berlin müsse sich künftig als „Stadt des Wissens“ profilieren.

Außerhalb der Haushaltspolitik ist der Jurist Wowereit, der elf Jahre lang als Bildungsstadtrat in Tempelhof amtiert hatte, im Abgeordnetenhaus bisher kaum hervorgetreten. Er gilt aber als weniger uncharismatisch als der unterlegene Hermann Borghorst, dem Parteifreunde zuletzt „das Profil eines abgefahrenen Sommerreifens“ attestiert hatten.

Von einem solchen Umgangston jedenfalls soll die SPD, geht es nach dem kulturbeflissenen und stets elegant gekleideten Wowereit, künftig Abschied nehmen. Nachdem die Partei zuletzt ein „sehr ambivalentes Bild“ geboten habe, wünscht sich der neue Fraktionschef jetzt „eine gewisse Ruhe“. Ralph Bollmann