CDU redet lieber über Familien- als über Schwarzgeld

■ Delegierte und Parteispitze werden den Kleinen CDU-Parteitag am Montag für ihre Familienpolitik nutzen. Die Aufklärung über die schwarzen Konten Kohls wird verschoben

Berlin (taz/ap) – Der Wille, die Schwarzgeldaffäre um ihren Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl aufzuklären, ist in der CDU weit weniger verbreitet, als die Parteispitze glauben machen will. Entgegen der Ankündigung von Parteichef Schäuble, der erste Erkenntnisse der Wirtschaftsprüfer in Aussicht gestellt hatte, soll der Kleine Parteitag am Montag vor allem über Familienpolitik reden. „Und ich hoffe, dass das auch so bleibt“, sagte Bremens Kulturstaatssekretärin Elisabeth Motschmann der taz.

Generalsekretärin Angela Merkel dämpfte gestern die Erwartungen, die nach Berlin delegierte CDU-Basis werde am Montag mit der Wahrheit konfrontiert. Der Familienparteitag könne nicht auf neue Informationen hoffen, sagte Merkel. Es gebe keine neuen Erkenntnisse.

Helmut Kohl hatte zugegeben, ein neben der offiziellen Buchführung der CDU installiertes Rechenwerk für Geldzahlungen und politische Einflussnahmen innerhalb der Partei genutzt zu haben. Auf den Sonderkonten sollen nach bisherigen Spekulationen der CDU drei bis vier Millionen Mark bewegt worden sein, darunter zumindest teilweise Schwarzgelder.

„Über die Herkunft des Geldes weiß die CDU so gut wie gar nichts“, sagte ein Mitglied des Parteipräsidiums, das nicht genannt werden will. „Die von Schatzmeister Kiep unterzeichneten Rechenschaftsberichte müssen falsch gewesen sein“, fügte er an. Kiep war bis 1992 Schatzmeister.

Was die ihm nachfolgende Schatzmeisterin Baumeister oder die Parteiführung von den schwarzen Konten wusste, konnte die CDU auch zehn Tage nach dem Geständnis Kohls nicht erklären. Der CDU droht wegen der Spendenaffäre möglicherweise die finanzielle Pleite. Je nach der Geldmenge, die vor dem Parteiengesetz versteckt im zweiten Finanzsystem akquiriert wurde, fallen zwischen 13 und mehreren 100 Millionen Mark Strafgelder an. Der Gesamtetat der Partei liegt bei 180 Millionen Mark.

Der Ehrenvorsitzende Helmut Kohl hat indes seine Partei nicht nur mit schwarzem Geld, sondern roten Zahlen finanziell gefährdet. Diesen Vorwurf erhob der niedersächsische CDU-Vorsitzende Christian Wulff. Wulff sagte, er habe „im Bundesvorstand gegen den Haushalt [der Partei; d. Red.] für 1998 gesprochen“. Der derzeitige Schatzmeister, Matthias Wissmann, will seine Partei kommende Woche über die aktuelle Kassenlage informieren. Wulff verweigerte die Zusage, dass die Landesverbände der schlingernden Bundespartei helfen würden. „Jede Ebene muss ihre Probleme selbst lösen.“

Die CDU-Spitze sucht eine Linie, die Partei vor dem politischen Bankrott zu bewahren. „Es geht jetzt darum, die Fehler von Helmut Kohl möglichst bald zu heilen und gleichzeitig alles das, was er politisch geleistet hat, für die CDU zukunftsfähig zu machen“, sagte die Generalsekretärin Merkel. Ein anderes Präsidiumsmitglied hält dies für eine Gratwanderung, weil sich die „Identität“ der Partei zu „einem Teil aus der historischen Leistung Helmut Kohls speist.“

Bei den Wählern herrscht Einigkeit über eine andere „Leistung“ Kohls. 54 Prozent der Wähler glauben laut Umfrage, dass gezielte Spenden Entscheidungen seiner Regierung beeinflusst haben. Christian Füller