Druck auf deutsche Seite wächst

Unterhändler Lambsdorff: Deutschland stockt Angebot an Zwangsarbeiter vielleicht auf. Gesetzentwurf über die Verteilung der Gelder bekannt geworden    ■ Von Nicole Maschler

Berlin (taz) – In der Frage der Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern gerät die Bundesregierung zunehmend unter Druck. Vergeblich wartete sie in dieser Woche auf einen Anruf aus den USA. Opferanwälte und US-Regierung lassen sich mit ihrer Antwort auf das deutsche Angebot Zeit. Sie wollen die acht Milliarden Mark, zu denen sich Bund und Wirtschaft in den vergangenen Wochen durchgerungen haben, nicht akzeptieren. Die US-Seite besteht auch weiterhin auf einem zweistelligen Milliardenbetrag.

Langsam scheint auch den deutschen Verhandlungsführern aufzugehen, dass sie sich in der Frage der Entschädigungssumme bewegen müssen. Andernfalls drohen die Gespräche zu scheitern.

Lambsdorff: Wir werden noch einmal nachdenken

Schröders Verhandlungsführer Otto Graf Lambsdorff schloss daher gestern auch nicht mehr aus, dass die deutsche Seite ihr Angebot doch noch aufstockt. Wenn die Klägerseite eine diskussionswürdige Zahl nenne, „werden wir in Deutschland auch noch einmal nachdenken“. Erneut forderte Lambsdorff Opferanwälte und US-Regierung auf, eine konkrete Summe zu nennen.

Unterdessen ist ein Gesetzentwurf zur Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ bekannt geworden, den das Finanzministerium von Hans Eichel (SPD) ausgearbeitet hat. Das Stiftungsgesetz soll regeln, wie die Entschädigungsgelder auf ehemalige Zwangsarbeiter verteilt werden. Das Papier, das der taz vorliegt, lässt die Höhe der Entschädigungszahlungen noch offen. Der Gesetzentwurf, der auf den 26. November datiert ist, könnte dennoch für neuen Zündstoff für die Regierungskoalition sorgen.

Der Entwurf sei weder in der Koalition besprochen noch zwischen den Ressorts abgestimmt worden, hatte der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck schon vergangene Woche kritisiert.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ein Kuratorium über die Vergabe der Entschädigungsgelder entscheidet. Dem Gremium, das aus neunzehn Mitgliedern besteht, sollen neben Vertretern von Bundesministerien, Bundestag und Bundesrat auch die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, die US-Regierung sowie Vertreter Israels und mehrerer osteuropäischer Regierungen angehören.

Als einziger Opferverband ist die Conference on Jewish Material Claims against Germany im Kuratorium vertreten. Andere Opfergruppen, die unter dem NS-Unrechtsregime gelitten haben, bleiben dagegen bei der Regelung der Entschädigungszahlungen außen vor.

Die laufenden Geschäfte der Stiftung soll ein Stiftungsvorstand führen, der auch die Beschlüsse des Kuratoriums umsetzt. Er ist letztlich für die Verteilung der Stiftungsmittel verantwortlich und wacht auch darüber, dass diese dem Zweck entsprechend eingesetzt werden.

Der Stiftungsvorstand, dem drei Personen angehören, soll zudem weitere Unternehmen auffordern, ihren Beitrag zur Entschädigung der Zwangsarbeiter zu zahlen.

Zahlungen soll nach dem Entwurf nur erhalten, wer als KZ-Arbeiter (Kategorie A) oder unter gefängnisähnlichen Bedingungen (Kategorie B) schuften musste, unter bleibenden Gesundheitsschäden leidet (Kategorie C) oder für Vermögensschäden keinen Ersatz durch das Bundesentschädigungsgesetz erhalten hat (Kategorie D).

Landarbeiter sollen nicht entschädigt werden

Landarbeiter sollen dagegen nach dem Gesetzentwurf nicht entschädigt werden. Beck hatte diese Regelung scharf kritisiert und gewarnt, an diesem Ausschluss festzuhalten.

Die Entschädigungsgelder sollen zunächst nur zu einem Drittel ausgezahlt werden – der Rest wird erst nach der Bearbeitung aller Anträge erstattet. Ein Regierungsabkommen zwischen Deutschland und den USA soll die Rechtssicherheit für die deutschen Wirtschaftsunternehmen erhöhen. Diese hatten stets eine entsprechende Garantie gefordert. Mit der Auszahlung der Gelder soll die Stiftung erst dann beginnen, wenn diese Übereinkunft getroffen ist.

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