Will Scherf Reform im Dissenz durchdrücken?

■ Bei Juristenausbildung setzt Behörde auf Verschulung, Uni auf moderate Änderungen

Es sei schon eine „erstmalige Sache“, dass man vom Justizsenator derart unter Druck gesetz werde. Das sagt der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Bremen, Lorenz Böllinger. Streitpunkt: die Juristenausbildung in Bremen. Ein neuerliches Kompromissangebot des Senators will Böllinger „in großer Ruhe prüfen“. Justiz-Senator Henning Scherf (SPD) indes drängt auf Zeit: Noch im Januar will er eine kleine Reform der Bremer Juristenausbildung durch die Bürgerschaft schleusen. Auf die bundesweite Reform – ebenfalls angekündigt – will das Justizressort nicht warten.

Im Ländervergleich schneiden Bremer Juristen beim zweiten Staatsexamen, also nach dem Referendariat, erheblich schlechter ab, als Prüflinge aus Hamburg oder Schleswig-Holstein. Der Senator will, dass sich das schnell ändert – und setzt auf eine stärkere Verschulung des Studiums. An der Universität indes will man auf die Stärken des Bremer Studiengangs nicht verzichten – in den Augen der Fakultät bestehen diese vor allem aus der teilweise interdisziplinären Ausrichtung der Ausbildung.

Die Kontrahenten haben längst ihre Positionen bezogen. Zwar gibt es in der Universität auch Anhänger der stärkeren Verschulung – doch sie sind in der Minderheit. Am 1. Dezember verabschiedete der Fachbereichsrat Rechtswissenschaft eine Stellungnahme zu den Begehrlichkeiten des Justizressorts: Man erwarte von der Behörde, wie in der Vergangenheit „im Konsens“ über die Perspektive der Ausbildung zu entscheiden. An dem interdisziplinären „Schwerpunktstudium“ solle festgehalten werden. Gewisse Anpassungen beim ersten Staatsexamen seien tragbar. So könne der Klausuren-Anteil von derzeit drei auf vier erhöht werden, die dann insgesamt 40 Prozent der Examensnote ausmachen sollen. Die Hausarbeit könnten von 33 auf 30 Prozent geringfügig abgewertet werden, die mündiche Prüfung ebenfalls 30 Prozent ausmachen.

Während einer Besprechung beim Justizsenator vergangenen Dienstag trafen Vertreter der beiden Seiten aufeinander. Justiz-Staatsrat Ulrich Mäurer präsentierte seine Vorstellungen: fünf Klausuren, die Hausarbeit auf eine 20-Prozent-Bedeutung drücken, mündliche Prüfung ebenfalls abwerten. „Der Dissenz wurde deutlich herausgearbeitet“, berichtet ein Teilnehmer des Treffens. Ohne Einigung ging man auseinander.

Vergangenen Freitag sagte Mäurer der taz: Sein Kompromissangebot läge nun bei einer Verteilung von 25 Prozent Hausarbeit, 25 Prozent mündliche Prüfung und 50 Prozent Klausuren. Bei der Hausarbeit sollen „freie Themen“ nicht mehr gewählt werden können. „Das ist der Mittelweg“, sagt Mäurer. Akzeptabel für die Uni?

Wohl eher nicht. In einem internen Papier argumentiert der Jurist Karl F. Schumann gegen die Interpretation, dass Bremer Absolventen wirklich schlechter abschneiden. Er macht vor allem die Sess-haftigkeit der Bremer Juristen verantwortlich für das schlechte Abschneiden im Ländervergleich. Durch längere Wartezeiten, die Bremer nach dem ersten Staatsexamen in Kauf nähmen, um im Referendariat in Bremen bleiben zu können, würde eine Konkurrenz mit den Referendaren von Auswärts entstehen: Auswärtige brächten nämlich meistens sehr gute Noten mit. Justiz-Staatsrat Mäurer zu der Interpretation: „An eine Scheinkorrelation glauben wir nicht.“

Für den Vertreter der Jura Studenten, Tillmann Schmidt, liegt das Problem im Grundsätzlichen: „Das Justizressort nimmt massive Veränderungen unter dem Deckmantel der schlechten Klausuren vor, obwohl das eine mit dem anderen nichts zu tun hat.“ cd