Ist Bonn die neue Nummer eins?

Nach der Niederlage von Alba Berlin gegen die Baskets Bonn weist Trainer Svetislav Pesic den Siegern die Favoritenrolle in der Basketball-Bundesliga zu    ■ Von Markus Völker

Berlin (taz) – Blitzschnell war die gesamte Entourage von Alba Berlin nach Spielende in den Katakomben der Max-Schmeling-Halle verschwunden. Wie sie an den Reportern und den autogrammgierigen Kids vorbeizischte, glaubte man den Luftzug eines Sechstonners zu verspüren, der Passanten die Haare zerzaust und die Kleidung durcheinanderwirbelt.

Die Basketballer der Telekom Baskets aus Bonn dagegen suhlten sich noch ausgiebig auf dem Parkett, schlenderten mit fröhlichen Gesichtern zum Fanblock und ließen sich feiern. Der hüftsteife Schlaks Gunther Behnke, 2,21 Meter lang, mimte wahlweise „Elvis the Pelvis“ oder die „Statue of Liberty“. Es ging ihnen richtig gut, den Gästen aus der Althauptstadt, was verständlich war, hatten die Baskets den Meister soeben mit 72:70 geschlagen.

Auf der Pressekonferenz zeigte sich dann der erste redewillige Alba-Verantwortliche: Svetislav Pesic, der Coach. Er schaute etwas missmutig drein, doch die Sprache hatte es ihm nicht verschlagen. Versucht sich mancher Fußballtrainer nach Niederlagen in extremer Lakonie, so führte Pesics Redefluss auch in der Enttäuschung Hochwasser. Zentrale Aussage: „Wir sind nicht das beste Team in Deutschland, das ist im Moment Bonn.“ Bruno Soce, der Trainer der Bonner, sagte daraufhin: „Wir sind nicht die 100-prozentig beste Mannschaft.“ Er wollte sich keineswegs die Ehrennadel vom Kollegen anstecken lassen, da er die Probleme derartiger Würdigungen kennt. „Die Spieler werden arrogant und überschätzen sich, wir hatten auch schon solche Probleme wie Alba.“

Pesic also übergab den Führungsanspruch im deutschen Basketball an Bonn, aber nur mit halbem Herzen. In Organisation und Management wollte er seinen Verein noch immer an der Spitze wissen, und tief in ihm ruht der Glaube, dass seine Truppe, ist sie nicht verletztungsgeschwächt und spielt sie inspiriert, zwischen Weißenfels und Hamburg niemanden zu fürchten hat. Und auch international, Alba spielt am Donnerstag gegen Panathinaikos Athen, ist man gesellschaftsfähig.

Doch Alba ist angeknockt. Viele Spieler sind verletzt oder von Zipperlein geplagt. Die Liste der Angeschlagenen liest sich in der Fülle wie ein medizinisches Bulletin; sie reicht von den Magenproblemen des Centers Patrick Femerling über Henrik Rödls malade Leiste und den entzündeten Fuß von Ademola Okulaja bis hin zu Guard Frankie King, der „alles hat, was man haben kann“. Zur Beruhigung der Anwesenden verkündete Pesic dann noch: Aber der Geert“ (Hammink) ist fit. Während des Matches blieb Pesic auffallend ruhig. Gelassen nahm er fragwürdige Entscheidungen der beiden Schiedsrichter hin. Alba kassierte in der ersten Hälfte mehr als doppelt so viele Fouls wie Bonn. Selbst der dramatischen Schlussphase setzte er Kontemplation entgegen. Sein defensives Coaching sei kein Fatalismus, meinte Pesic, sondern Ausdruck davon, dass „die Spieler nicht mehr können“.

Am Ende waren sie knapp geschlagen. Derrick Phelps legte Alba in Feinabstimmung mit der Schlusssirene den Ball in den Korb, just als einige schon die Verlängerung buchten. Zuvor hatten die Berliner mit der überharten Defense der Bonner zu kämpfen. Wendell Alexis rang öfters mit Gegenspieler Ivo Josipovic unter dem Korb, der eine den anderen walkend. „Über Bonns Defense will ich gar nichts sagen – das ist nicht meine Welt“, meinte Pesic. Trotzdem wurden den Baskets mehr Freiwürfe zugesprochen. Als entscheidendes statistisches Detail entpuppte sich die Anzahl der Turnover. Bonn unterliefen 6 Ballverluste in der gegnerischen Hälfte, Berlin vermeldete 16.

Albas dritte Niederlage in Folge nach den verlorenen Spielen in Leverkusen und Kaunas führte Henrik Rödl auf die 14-tägige Nationalmannschaftspause zurück. „Das war tödlich für uns“, sagte er. Der Prozess der Festigung im Team, den man nach dem Erfolg gegen Real Madrid abgeschlossen wähnte, müsse nun neu beginnen, ebenso der nationale Wettbewerb. Rödl: „Die Bundesliga beginnt wieder von vorn. Es steht 0:0.“