■ Press-Schlag
: Da capo!  1860 verweigert sich der grassierenden Tiefstapelei

Die Sache ist ja noch mal gutgegangen, obwohl dieses 3:3 gegen Schalke 04 natürlich so ein richtiger Dämpfer gar nicht gewesen ist für die frisch erblühten Ambitionen des TSV 1860 München.

Aber ein Sieg hätte die Löwen tatsächlich mitten hinein in den Kreis der Großen gehoben. An Punkten wären sie mit dem Tabellenzweiten Leverkusen gleichgezogen, vorbei sogar am Dritten Hamburger SV, zumindest bis gestern Abend. Dank also dem Schalker Stürmer Ebbe Sand für sein Ausgleichstor in der 89. Minute. Dank vor allem Oliver Reck, dem Schlussmann und mutigen Vorlagengeber, der sich kurz vor Feierabend nach vorne gepirscht hatte, Sand den Ball schussgerecht servierte und damit den Trend zur Torwartattacke, zuletzt befördert von Dortmunds Jens Lehmann und Hamburgs Elfmeterfachkraft Hansjörg Butt, erfolgreich fortsetzte.

Denn bei 1860 spinnen sie ohnehin schon genug. Die Löwen, vom Wesen her eher graumäusig veranlagt, aber verwirrt von den jüngsten Erfolgen, wie zum Beispiel dem Millenniumssieg gegen die Münchner Bayern vor zwei Wochen, wollen plötzlich Meister werden. Trainer Werner Lorant sowieso. Der sagt vor jeder Saison: „Ich will immer Meister werden.“ Zu Beginn der vergangenen Rückrunde, als 1860 ähnlich gut dastand, ehe es jäh abstürzte, tippte Lorant: 1860 auf Platz eins, der Rest irgendwo dahinter. Und vergangene Woche bekannte sich gar ein Spieler zum Wunsch nach höherer Weihe: Verteidiger Holger Greilich, ein hemdsärmeliger Grätscher und Freund markiger Aussprüche, ließ mit belustigtem Kichern verlauten: „Wir können noch einiges erreichen, vielleicht sogar mal deutscher Meister werden.“

Das ist Unsinn – zumindest wäre es kein Kompliment für die Konkurrenz, wenn sie sich ausgerechnet von dieser biederen Riege aufmischen ließe; schlimm genug ist es ja schon, dass sie so prominent platziert ist in der Tabelle. Aber dieser Unsinn erfrischt. Denn eigentlich ist es ja nicht mehr zum Anhören, wie das Gros der Liga seine Ambitionen in ängstliche Vorsicht kleidet. „Wir wollen nichts außer die Klasse halten, zunächst einmal 40 Punkte sammeln, ins gesicherte Mittelfeld, und dann vielleicht, vielleicht, wenn wir zwei Spieltage vor Schluss tatsächlich mit zehn Punkten Vorsprung einen Champions-League-Platz belegen, das Saisonziel nach oben korrigieren.“

So reden sie. Und das klingt dröge, das ist nichts, woran man sich reiben kann. Und auch 1860 war ja schon auf schlechtestem Weg, seine Mittelmäßigkeit zum Programm zu machen, als Präsident Karl-Heinz Wildmoser neulich erst darauf beharrte, ein „einstelliger Tabellenplatz“ reiche ihm völlig.

Aber jetzt ist ja Greilich da, will ganz nach oben und spricht das auch aus. Da capo, denn das ist amüsant. Wobei am Samstag nicht ganz klar war, ob Greilichs Mut ihm nicht geschadet hatte: Er saß nur auf der Bank und durfte keine Minute mitspielen. Fred Stein