Wegen Torschusshemmung um den Schlaf gebracht

■ Bielefelds Stürmer Labbadia trifft nicht und leidet unter dem Liebesentzug der Fans

Bielefeld (taz) – Wie nach beinahe jedem Spiel der vergangenen Saison, als die Bielefelder Arminia den Aufstieg in die Bundesliga schaffte, zeigt auch jetzt das Foto auf der Titelseite einer Bielefelder Tageszeitung Bruno Labbadia. Nur ist er darauf nicht beim Bejubeln eines Tores zu sehen. Stattdessen verschränkt er nach einer verpatzten Szene beide Hände hinter dem Kopf, was wohl so viel heißen soll wie: Das darf doch alles nicht wahr sein.

Ist es aber. Das Heimspiel gegen den MSV Duisburg ging am Freitag mit 0:1 verloren, und ein Tor hat Labbadia schon seit Ende August nicht mehr geschossen. Magere zwei sind ihm in dieser Saison bislang gelungen. Natürlich hat eine Fußballmannschaft immer elf Spieler auf dem Platz, und der Erfolg oder Misserfolg einer Truppe hängt auf Dauer nicht von einem einzelnen Kicker ab. Manchmal gibt aber die Verfassung eines zentralen Akteurs Aufschluss darüber, wie es um das gesamte Team bestellt ist.

So verhält es sich derzeit mit Arminia und Labbadia. In der Aufstiegssaison war er das Symbol für den ostwestfälischen Aufschwung. Bielefeld eilte von Sieg zu Sieg, Labbadia schoss Tor um Tor. Die Fans feierten und liebten ihn, die Bielefelder wählten ihn zu ihrem Sportler des Jahres, und in der Presse wurde seine Leistung meist mit einer Eins bewertet. Seit Labbadia nicht mehr trifft, geht es mit der Arminia bergab – oder umgekehrt. Immer häufiger hört man, auch ein Labbadia solle ruhig einmal auf der Bank sitzen. Vor dem Spiel gegen Duisburg gab es zum ersten Mal Pfiffe, als sein Name aus den Stadionmikrofonen schallte. Und Bestnoten gibt es auch nicht mehr. Nach dem 0:2 vor einer Woche beim Mitaufsteiger Unterhaching setzte es zum ersten Mal in allen Bielefelder Zeitungen die Note Sechs, eine Stadtzeitung regte gar an, die Notenskala solle für Labbadias Darbietung um die 6,5 erweitert werden.

Am Tag nach der Pleite gegen Duisburg ärgert sich Labbadia vor allem darüber, wie in dieser schwierigen Phase über ihn geurteilt wird. „Ich hatte gedacht, hier mehr Kredit zu haben, zumal ich mich letztes Jahr nie als großer Zampano aufgespielt habe“, sagt der gefallene Held. „Ich habe immer betont, dass meine Tore nur durch die hervorragenden Leistungen der gesamten Mannschaft möglich waren.“ Dass einige Kritiker meinen, die 28 Tore der Vorsaison seien nur möglich gewesen, weil man in der zweiten Liga gespielt habe, treibt ihm die Zornesröte ins Gesicht. „So etwas lasse ich mir nicht bieten. Ich habe bislang 94 Tore in der Bundesliga geschossen. Die schießt doch keiner, der zu blöd dafür ist, oder?“, ärgert sich Labbadia. Man merkt dem 33-Jährigen deutlich an: Er leidet. Schließlich war er im letzten Jahr nach Bielefeld gekommen, „weil ich mithelfen will, hier etwas aufzubauen und die Arminia in der Bundesliga zu etablieren“.

Dieses Ziel haben alle Beteiligten rund um die Bielefelder Alm. Vieles wird versucht, aber zur Zeit klappt nichts. Selbstverständlich weiß ein erfahrener Profi wie Labbadia, dass gerade er durch Tore der ganzen Mannschaft neues Selbstvertrauen geben könnte. Gegen Duisburg war er einmal mehr meilenweit davon entfernt, ein solches zu erzielen. Zwar hatte er gerackert, war häufig ins Mittelfeld gerückt, um anspielbar zu sein, und war nach dem Halbzeitpfiff sogar zu den treuesten Fans gegangen, die nicht in die „Gerland raus!“-Rufe eingestimmt hatten, um sie zu weiterer Unterstützung der Mannschaft zu animieren – geholfen hatte all dies freilich nicht.

So war dann auch die Erinnerung an die Pfiffe vom Vorabend noch nicht aus Labbadias Kopf verschwunden. „Ich weine jetzt sicherlich nicht mein Kopfkissen nass“, gestand er auf die Frage, wie erholsam seine Nachtruhe gewesen sei. „Aber ich bin ein emotionaler Typ und es ist nun einmal so, dass der Fußball mein ganzes Leben beeinflusst. Da liegt man in einer solchen Situation schon mal die Nacht wach.“ Dass ihm bei dieser Schilderung zweimal das Salamibrötchen aus der Hand fällt, ist nur eine klitzekleine Randnotiz. Aber sie passt ins Bild.

Michael Becker