Tankerunglück vor der Bretagne

Der Supertanker „Erika“ mit 30.000 Tonnen Diesel an Bord ist in zwei Teile zerbrochen. Noch treibt der Sturm den Ölteppich aufs offene Meer hinaus  ■   Aus Paris Dorothea Hahn

Einundzwanzig Jahre nachdem die Havarie des US-amerikanischen Tankers „Amoco Cadiz“ über 350 Küstenkilometer verseuchte, droht der Bretagne erneut eine neue Umweltkatastrophe. Diesmal aus einem 180 Meter langen Supertanker, der unter maltesischer Flagge fährt. Die „Erika“, deren Besatzung gestern Morgen um 6 Uhr Seenot funkte, war mit knapp 30.000 Tonnen Diesel beladen. Als sie wenige Stunden später in zwei Teil zerbrach, begann sich die Sauce ins Meer zu ergießen. Bis Mittag hatte sich bereits ein 1.000 Meter langer und 200 Meter breiter Ölteppich auf den bis zu sechs Meter hohen Wellen gebildet. Glücklicherweise drückte der Wind den Teppich in Richtung offenes Meer.

Zwei Schlepper sollen die beiden Wrackteile aufs Meer hinaus ziehen. Eine Umweltkatastrophe erschien gestern unvermeidlich. Unklar war allerdings, wo sie stattfinden würde. Als Opfer in Frage kommen einerseits die Hochseefischerei – und damit der wichtige Fischfangsektor der Bretagne – und andererseits die lange südwestliche Küste der Bretagne, wo das Anschwappen des Öls eine ökologische und wirtschaftliche Katastrophe auslösen würde. Betroffen wären nicht nur zahlreiche Ferienorte, sondern auch die Austernzucht nördlich der Loiremündung, die auf jede Umweltveränderung hoch sensibel reagiert. Dabei hatten die französischen Umweltbehörden erst im vergangenen Jahr eine gewisse Entwarnung für die bretonischen Küsten gemeldet.

Die Folgen der Katastrophe der „Amoco Cadiz“ von 1978 schienen nach zwei Jahrzehnten Kärrnerarbeit weitgehend beseitigt. Zudem hatte die US-amerikanische Betreiberin, die damals noch Amoco Corporation hieß und sich heute Standard Oil of Indiana nennt, über 350 Millionen Franc Schadenersatz (umgerechnet etwa 120 Millionen Mark) an den französischen Staat gezahlt. Den betroffenen bretonischen Gemeinden hatte das US-Gericht allerdings nur ein Viertel der Summe zugesprochen. Nach Ansicht des Gerichts habe die Natur „von selbst wieder Oberhand“ gewonnen.

Im Fall des neuen Tankerunglücks vor der Bretagne sind neben den langfristigen Folgen auch die unmittelbaren Ursachen noch unbekannt. Offenbar hatte der Kapitän des Tankers, der von Dünkirchen nach Italien unterwegs war, bereits am Samstag wegen eines technischen Problems einen französischen Hafen angelaufen, ihn aber bald wieder verlassen. Zu technischen Problemen kam in der Nacht zum Sonntag ein Sturm mit Winden von bis zu 120 Stundenkilometern hinzu, der auch andernorts in Frankreich Opfer forderte.