Feuchte Histörchen

■ Neu erschienen: Die 78ste Lieferung „Bremisches Jahrbuch“ – über (zweifelhaftes) Ehrenbürgertum, bürgermeisterliche Patriarchen, knappe Kassen und vieles mehr

Bremer Geschichte – eine trockene Materie? Nicht nur. Im just erschienenen „Bremischen Jahrbuch“ steckt sogar manche Träne des Bedauerns. Oder Leidens – des ehemaligen Landesarchäologen Karl Heinz Brandt beispielsweise, der in seinen „Bemerkungen zur Datierung und Identifizierung erzbischöflicher Grablegen im Bremer St.-Petri-Dom“ verbittert fragt: „Kann man jemandem verübeln, wenn er meint, Dom und Dombezirk seien besser dort geblieben, wo sie bis 1803 waren, nämlich bei Hannover?“ Kaum, deutet der Historiker gleich selbst an, denn: „Auch jetzt haben sich Stadt und Land Bremen wiederum ahnungslos verhalten.“ Es geht ihm um die kostenträchtige Erforschung alter Stoff-Funde im Dom. „Sollten auch keine außerbremischen Mittel für diese gesetzliche Landesaufgabe zu beschaffen sein, bleibt die amtliche Grabung ein Flop“, warnt Brandt böse.

Ganz anders befeuchtet Hartmut Müller die bremische Geschichte. Der Leiter des Staatsarchivs Bremen hat – anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Hans Koschnick (SPD), kurz vor den diesjährigen Bürgerschaftswahlen – die Tradition dieser Auszeichnung unter die Lupe genommen. Dabei erfahren wir nicht nur, dass manche schwere Goldgabe und einige Flaschen Ratskeller-Wein die Auszeichnung oft begleiteten, sondern auch, welchen Aufwand man für sie trieb. So erhielt General Paul von Hindenburg 1917 die bremische Urkunde – verabreicht in der Hoffnung auf einen deutschen Sieg – erst spät. „Da war der Krieg im Westen wie im Osten längst verloren, war der Kaiser nach Holland geflohen und in Weimar eine demokratisch gewählte Nationalversammlung zusammengetreten“, bilanziert der Chronist nüchtern. Der Historiker belegt zugleich mit Quellen, was böse Zungen zuletzt wieder im Fall des verdienten Mostar-Mannes Hans Koschnick kolportierten – der zu eigenen Bürgermeister-Zeiten übrigens keine einzige Ehrenbürgerwürde verlieh: Dass die Auszeichnung mehr dem Ehrenden dient als dem Geehrten.

So schrieb schon Bremens Gesandter beim Deutschen Bundestag in Frankfurt, der damalige Senator und spätere Bürgermeister Johann Smidt 1816: „Zugleich meinen wir auch uns selbst zu ehren, wenn wir einen so ausgezeichneten Mann unsern Mitbürger benennen dürfen.“ Die Nennung des männlichen Geschlechts war dabei wohl kaum nur historische Eingleisigkeit – etwa des alten Patriarchen Smidt, dessen Patriarchentum im gleichen Buch 30 unterhaltsame Seiten gewidmet sind. Vielmehr waren alle 23 Ehrenbürger der Stadt Bremen – Bremerhaven zählt extra – Männer. „Uns selbst zu ehren“ wie Smidt schreibt? Wahrscheinlich, deutet Autor Müller an und schreibt: Der einzige Versuch, eine Frau zu küren, scheiterte 1930, als „dies der Männersenat um den greisen Präsidenten Donandt“ ablehnte. So folgte auf Hindenburg nicht die Sozialpolitikerin Hedwig Heyl – sondern erst 1933 Adolf Hitler. Und nach ihm länger niemand – weil der Bremer Senat sich hütete, kleine Gau-leiter mit diesem 1946 wieder gestrichenen Ehrenbürger gleichzusetzen ede.

Bremisches Jahrbuch, 45 Mark, 300 Seiten, für Mitglieder der Historischen Gesellschaft Bremens kostenlos