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: Eine Enttäuschung auf ganzer Linie

■ Statt Selbstmitleid sind Ideen gefordert: Die Mitgründerin der Initiative „Anstoß“, Katrin Rabus, nimmt Stellung zum taz-Interview mit dem Leiter der Kulturabteilung, Reinhard Strömer. Eine weitere Stellungnahme folgt in der morgigen Ausgabe

Viele Bremer Kulturschaffende sind unzufrieden mit „ihrer“ Verwaltung. Die schon von der Unternehmensberatung McKinsey aufgeschriebene Kritik an der Kulturabteilung ist auch nach der Neuorganisation der Behörde nicht leiser geworden. SprecherInnen von kulturpolitischen Initiativen wie „Anstoß“ oder dem „Kulturrat“ beklagen, dass in der Szene niemand weiß, wer in der Kulturabteilung für welche Aufgabe zuständig ist, und halten dem neuen Leiter der Abteilung, Reinhard Strömer, vor, die Interessen der Kulturschaffenden nicht offensiv genug zu vertreten. In einem Interview mit der taz hat Strömer diese Kritik zurückgewiesen (vgl. taz vom 4. Dezember). Strömer sieht sich und seine MitarbeiterInnen oft als Überbringer schlechter Nachrichten und nicht als deren Urheber. In überdurchschnittlichem Einsatz hätten sie das Kunststück zu vollbringen, zu sparen, ohne dass es weh tue. „Wieder einmal zeigt sich“, so Strömer, „dass nichts teurer ist, als kein Geld zu haben.“ Lesen Sie heute eine Antwort der „Anstoß“-Mitgründerin Katrin Rabus.

Der Rechtfertigungsdruck muss schon recht groß sein, wenn die Kulturverwaltung durch ihren Leiter Punkt für Punkt darlegen möchte, wie toll sie wirklich arbeitet. „Merkt das denn keiner?“ scheint er zu rufen. Die erste öffentliche Äußerung des neuen Behördenleiters zu seinem Amt enttäuscht auf der ganzen Linie und ist auch auf der politischen Ebene eine vertane Chance.

Natürlich besteht das Kernproblem in der verantwortungslosen Absenkung des Eckwerts für Kultur – hierfür tragen die politische Ressortspitze und die große Koalition aus SPD und CDU die Verantwortung. Das wenige verfügbare Geld wird mit vollen Händen weggegeben – zum Musical 45 Millionen Mark, zur Pferderennbahn 22 Millionen, zum Rhodarium 42,5 Millionen zum Kolumbus-Terminal 40 Millionen, für das Siemens-Hochhaus 20 und 15 Millionen und so weiter. Angesichts dieser bekannten und bedauerlichen Zustände erwarten die Kulturschaffenden von der Behördenleitung mehr als nur Selbstmitleid und überholtes Obrigkeitsdenken. Sie erwarten zu Recht Ideen und wirksamen Einsatz für die Kultur im direkten Dialog mit den Betroffenen.

Würde Herr Strömer gern dekretieren und per Anweisung das „Notwendige“ durchsetzen? Dann wäre es interessant zu wissen, um welche Inhalte es ihm geht. Hat er vor seiner Bewerbung nicht gewusst, dass Bremen eine Bürgerkommune ist? Zum Glück hat Bremen viele Bürger, die ein waches Auge auf ihre Verwaltung und Politik werfen und der Überzeugung sind, dass Kultur mehr als jeder andere Bereich Privatinitiative und Staatsferne braucht. Offensichtlich sind zurzeit Fachkompetenz und kulturpolitisches Bewusstsein außerhalb der Behörde stärker ausgeprägt. Oder wickelt die Behörde nur noch ab? Der Verdacht kann aufkommen.

Zurück zu den Taten der Verwaltung – es lohnt sich, auf die Ausführungen Strömers spezifiziert einzugehen.

1. Was hat die Verselbständigung der fünf großen Einrichtungen in Bremen gebracht? Die Wirtschaftspläne hängen nach wie vor vom Gesamthaushalt und dessen Freigabe ab, sie sind nicht verbindlich und können nicht rechtzeitig aufgestellt werden. Die Vertragshoheit der Einrichtungen gegenüber ihrem Personal bleibt nach wie vor durch das Personalvertretungsgesetz eingeschränkt. Können denn nun diese Einrichtungen besser und effizienter arbeiten, oder ist es nur viel Lärm um nichts? Welche Serviceleistung kann die Behörde noch erbringen?

2. Wenn die Behörde tatsächlich 18 Prozent der Mitarbeiter-stundenkapazität (welch Unwort) abgegeben hat – wie ist es dann zu verstehen, dass sich laut Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Personalaufwand der Kulturverwaltung um mindestens 400.000 (nach eigenen Schätzungen um 1,5 Millionen) Mark pro Jahr verteuert? Werden wirklich immer mehr Mitarbeiter benötigt, um stereotyp zu antworten, dass kein Geld vorhanden ist? Ist denn der Gedanke so abwegig, zuerst bei der Kulturverwaltung zu kürzen, bevor man in den Einrichtungen kürzt? Wenn gespart werden muss, dann doch zuerst in der Verwaltung.

3. Die Gründung der „kultur.management.bremen“ (KMB) als ansehnliches Zwischenergebnis der Verwaltungsreform zu bezeichnen, verschweigt, dass die dort zu erbringenden Leistungen erst einmal zu einer erheblichen Aufblähung der Personalkosten geführt haben. Den Einrichtungen wird dieses Geld entzogen. Die genauen Aufgaben und das Rollenverständnis dieser neuen Firma – Partner oder Gegner der Kulturszene? – werden nicht offengelegt. Das in der taz veröffentlichte Entscheidungsbäumchen dieser KMB lässt Schlimmes vermuten.

4. Strömer sieht sich als Arzt und die Einrichtungen als seine Patienten, unter denen „Untote ... fortwesen“. Ist das eine verbale Entgleisung? Selbstausbeutung und kreative Buchhaltung waren immer Kennzeichen für schöpferisches künstlerisches Arbeiten. Zweifel sind berechtigt, ob der Leiter der Kulturverwaltung mit den Einrichtungen und ihren Menschen richtig umgehen kann.

Die Reform der Kulturverwaltung ist ausschließlich Resultat erheblicher Kürzungsabsichten der Politik. Ein Ergebnis der Diskussion unter der Ära der ehemaligen Kultursenatorin Bringfriede Kahrs und ihres Senatsrates Rainer Köttgen war, in Kooperation und Transparenz von Politik und Verwaltung, den Institutionen und Initiativen eine Reform zu verwirklichen, die ein reiches Kulturleben in Bremen erhält. Hoffnung bestand darin, Mittel außerhalb des Kulturhaushalts für die Zwecke der Kultur einzuwerben – aufgrund der Bedeutung, die dieser Bereich für die Sanierung Bremens im öffentlichen Bewusstsein hat.

Die Kulturschaffenden bedauern, dass die jetzigen Verantwortlichen in Politik und Verwaltung weit hinter das Problembewusstsein und den Konsens der McKinsey-Debatte zurückgefallen sind. Ist die Kulturverwaltung nun Partner oder Gegner der Kulturschaffenden? Diese Frage ist wieder offen.

Was erwartet die Szene von der Kulturverwaltung?

Dass sie

-aktiv den Dialog mit den Kulturschaffenden sucht

-mehr Selbstbewusstsein entwickelt und die Bedeutung der Kultur für die Sanierung Bremens offensiv vertritt

-aktiv in den anderen Politik- und Verwaltungsfeldern mitwirkt, um den Kultureinrichtungen Finanzierungsmittel und Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen

-die Leistungen der Einrichtungen positiv herausstellt

-kreative Hilfestellung bei Problemen gewährt

-aktive Mitstreiterin beim Kampf um die Erhöhung des Kulturetats ist

kurz gesagt, Verbündete und nicht Gegnerin der Kulturszene ist. Katrin Rabus