„Wir machen uns lächerlich“

■ Reform der Juristenausbildung muss Modernisierung fördern, nicht die Traditionalisten, findet der Grüne Hermann Kuhn

Justizsenator Henning Scherf will die Juristen-Ausbildung in Bremen reformieren. Grund: Im Ländervergleich schneiden Bremer Juristen beim zweiten Staatsexamen schlecht ab. Die Uni sagt nach einer Bewertung durch externe Fachleute: Wir sind gar nicht so schlecht! Doch das Justiz-Ressort drängt: Noch im Januar soll per Gesetz eine Reform beschlossen werden, die das Studium stärker verschulen würde. Der Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn hält das für keine gute Idee.

taz: Der Justizsenator versucht scheinbar erstmals, eine Reform der Juristenausbildung im Dissens statt im Konsens durchzudrücken. Eine neue Qualität?

Hermann Kuhn: Juristenausbildung war schon immer Angelegenheit des Staates und stand unter der Fuchtel des Justizsenators. Neu ist aber, dass jetzt genau das Gegenteil von dem getan wird, was man nach eigenem Bekunden politisch will: Den Hochschulen sollte mit dem neuen Bremischen Hochschulgesetz (BremHG) mehr Autonomie gegeben werden. Justiz-Staatsrat Ulrich Mäurer will jetzt per Gesetz an der Studienreform herumfummeln. Das ist ein Rückschritt ohne Gleichen.

Muss sich Mäurer denn verpflichtet fühlen, für mehr Hochschul-Autonomie zu sorgen?

Auch der Justizsenator hat die Hand für die Reform des BremHG gehoben. Verpflichtet fühlen muss sich aber vor allem der Wissenschaftssenator Willi Lemke. Ich warte gespannt darauf, dass er sich zu der Juristen-Ausbildung äußert. Er kann nicht zulassen, dass seine Hochschul-Politik auf diese Weise konterkariert wird.

Welche Position muss Lemke denn einnehmen, um die Autonomie der Hochschule auszubauen?

Lemke müsste alles dafür tun, damit sich die großen Reform-Potenziale in der rechtswissenschaftlichen Fakultät entwickeln können. Andere Universitäten würden sich die Finger lecken, hätten sie unsere Tradition und Erfahrung, was moderne Ausbildungformen angeht. Die Bremer Universität hat bereits das, was andere sich jetzt mühsam erwerben müssen: Etwa die differenzierte Ausbildung nach verschiedenen Berufsbildern oder die hohen Anteile an internationaler Kompetenz. Der falsche Weg ist, mit kleinlichen Veränderungen diese Bestrebungen zu behindern. Das basiert auf einer völlig falschen Datengrundlage.

Es gibt zwei Interpretationen der Datengrundlage: Die eine besagt, dass die Bremer Juristen im Ländervergleich schlechter abschneiden, weil sie schlechter ausgebildet sind. Die andere sagt: Das hat etwas mit Wartezeiten zu tun. Was ist plausibler?

Diejenigen, die die zweite Ausbildungsphase durchlaufen (Referendariat und zweites Staatsexamen, d. Red.), kommen aus Bremen und von außerhalb. Offensichtlich kommen die Auswärtigen eher mit guten Noten aus dem ersten Staatsexamen hierher. Aus Bremen aber kommen eher Absolventen mit einem schlechten ersten Abschluss. Denn in Bremen kommt man als Bremer auch über die Warteliste ins Referendariat, was ein Anreiz ist, dazubleiben. Die Referendars-Ausbildung ist offenbar nicht so gut, dass sie die unterschiedlichen Startbedingungen ausgleichen könnte. Ich halte es für völlig voreilig, mit einer stärkeren Gewichtung der Klausuren diese Unterschiede auszugleichen. Es ist auch ein Nebengleis der bundesweiten aktuellen Reformdebatte der juristischen Berufe. Wir machen uns lächerlich, wenn republikweit über zukunftsweisende Reformen debattiert wird, und wir im gleichen Atemzug unsere Ausbildung auf ein Durchschnitts-Niveau zurückstutzen. Normalerweise wird immer noch das Heil im Lösen von Fällen gesucht, während heute ganz andere Kompetenzen gefordert werden, die im Bremer Schwerpunktstudium heute schon gefordert werden. Es kann passieren, dass nach einer umfassenden Reform, wie sie derzeit von den Justizministern der Länder diskutiert wird, diese kleine Bremer Reform wieder korrigiert werden muss. Das Flickwerk geht in die falsche Richtung. Fragen: cd