Überlieferungen
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Pflichtbewusst

Bis heute haben sie einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis der Niederländer: deutsche Dienstmädchen. Sie galten als pflichtbewusst, genügsam und der Herrschaft ergeben. Zu zehntausenden kamen sie von 1920 bis 1933 ins „Guldenparadies“, um der Not im verarmten Deutschland zu entfliehen. Doch in den krisengeschüttelten Dreißigerjahren wurden sie plötzlich als „Eindringlinge“ empfunden, als Frauen, die „uns die besten Stellen und die nettesten Jungs wegschnappen“.

Als die Nazis meinen, „deutsche Frauen“ sollten „Holländern nicht den Dreck wegräumen“ und heimkommen, heiraten viele und fühlen sich bald als Niederländerin. Andere folgen, wenn auch widerwillig, 1938 dem Ruf des Vaterlandes und schenken dem Führer bald „Soldaten für den Sieg“. Wer in Holland bleibt, sich gar im Widerstand engagiert, wird misstrauisch beäugt. Bis heute hält sich die Mär, deutsche Dienstmädchen hätten für Hitler spioniert.

Mit „Heimat in Holland. Deutsche Dienstmädchen 1920–1950“ ist der Historikerin Barbara Henkes eine bemerkenswerte Symbiose aus Archivarbeit und „oral history“ gelungen. Zudem ist es spannend zu lesen. Henkes hat fast 200 Lebensläufe recherchiert und mit vielen dieser inzwischen betagten Frauen Interviews geführt: über ihre Anstellung, ihr Verhältnis zu ihren Herrschaften, über Heimweh, Liebschaften, ungewollte Schwangerschaften, ihre Sicht auf das „Dritte Reich“, über das antideutsche Klima nach 1945 und über die Rolle der Vereine, die sich im „Kampf gegen die Sittenlosigkeit“ ihrer annahmen.

„Wenn sie keine Arbeit finden, nun, dann gibt es andere Wege, um an Geld zu kommen. Es braucht nicht eigens gesagt zu werden, dass diesen Mädchen und der Moral in unserem Lande große Gefahren drohen. (Es gilt), den Strom deutscher Dienstmädchen in gute Bahnen zu lenken, ungeeignete Kräfte an der Grenze zurückzuweisen und für die tüchtigen Mädchen eine Garantie zu verlangen, dass sie tatsächlich eine Stelle in Holland antreten können.“

Zeugnisse wie dieser Rundbrief aus dem Jahre 1932, verfasst von einer Mitarbeiterin der holländischen Bahnhofsmission, fanden sich viele bei Henkes’ Archivarbeit. Erzählt werden aber auch viele persönlicher Erinneringen, etwa die der Frieda Seip, die im Oktober 1934 an Bord eines deutschen Schiffes außerhalb der niederländischen Hoheitsgewässer mit einem frohgemuten „Ja“ Hitlers absolute Macht bestätigen half. Für viele Mädchen waren die Wahlfahrten auf See eine „unvergesslich schöne Erinnerung“. Eine sagt: „Welch große Freude war es für uns, vor aller Welt einzutreten für unser deutsches Volkes Recht und Freiheit.“

Ein bemerkenswertes Buch über ein Kapitel deutsch-niederländischer Geschichte. Henk Raijer

Barbara Henkes: Heimat in Holland. Deutsche Dienstmädchen 1920–1950. Straelener Manuskripte Verlag, Straelen 1998, 320 Seiten, 52 Abbildungen, 54 Mark