Mitten in der größten Krise: Die CDU verweigert sich
: Der Gespenster-Parteitag

Kindergeld statt Spendengeld, die selige Familie statt unseliger Parteispenden. Die CDU zelebrierte in Berlin einen Gespenster-Parteitag zum Thema Familienpolitik. Exakt 15 Minuten und drei Wortmeldungen lang widmeten sich die Delegierten gestern der größten Krise ihrer Partei seit den Machtkämpfen mit Franz Josef Strauß Ende der Siebziger.

Krasser kann man sich nicht verweigern. Die Angst, den Sumpf der Schwarzkonten-Wirtschaft öffentlich auszubreiten, eine echte Debatte zuzulassen, war größer als die Sehnsucht nach dem von großen Teilen der Partei erhofften Befreiungsschlag.

Die Chance, den Deckel vom brodelnden Topf zu nehmen, wurde verspielt. Die Kommentatoren dürfen also weiter darüber rätseln, ob die Verpuffung oder die Zerstörung die naturgesetzliche Konsequenz aus dem derzeitigen Überdruck im CDU-Kessel sein werden. Und der Mann, der im Mittelpunkt des Skandals um das von ihm gerne „Bimbes“ genannte Spendengeld steht, blieb gleich ganz zu Hause. Helmut Kohl verbarrikadierte sich vor den unangenehmen Fragen und Blicken seiner Partei. Verweigerung auch bei ihm.

So blieb die kurze Erklärung des Parteivorsitzenden Schäuble das einzige inhaltliche Statement zum Spendenskandal. Es klang schon wie ein Nachruf, als der Nachfolger die großen Verdienste des „Kanzlers der Einheit“ herausstellte. Interessanter war da der kurze, aber giftige Einwurf des alten Kampfgefährten Norbert Blüm, der davor warnte, den Altkanzler fallen zu lassen. Und darum geht es: Die Fluchtbewegung aus den Fangarmen Kohls wird immer stärker. Am Wochenende hatte die CSU nochmals eindeutige Signale an ihre verzweifelt rudernde Schwester gesandt: Eine moderne Volkspartei müsse in der Lage sein, aus dem Schatten ihres Vorsitzenden herauszutreten, funkte General Huber aus dem Münchner Bunker. Müsste!

Tatsächlich hat sich das christdemokratische Parteivolk in Berlin eher noch tiefer im Dunkeln verkrochen. Die CDU, das zeigte der Berliner Parteitag vor allem, weiß noch immer nicht, wie sie auf den Parteispenden-Skandal reagieren soll. Sie vermag sich noch immer nicht vom System Kohl zu emanzipieren und steht paralysiert in der Ecke. Den Kopf einziehen und abwarten, was noch alles kommt – mit dieser Strategie verspielt sie jede eigene Aufklärung von innen. Da diskutiert man lieber über die hehre Familienpolitik. Zur Familie gehört aber immer auch der Pate und erst recht der Patriarch. Manfred Kriener