Ultrarechte und Sozialisten in Chile fast gleichauf

Zwar liegt der linke Kandidat vorn. Aber das könnte sich im zweiten Wahlgang ändern

Buenos Aires (taz) – Der Triumph gehört der Rechten. Mit einen hauchdünnen Vorsprung von nur 31.027 Stimmen liegt der Sozialist Ricardo Lagos vor dem Rechtsaußen Joauín Lavín. Knapper hätte das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentenwahlen in Chile kaum sein können. In Prozenten: 47,96 für Lagos, 47,52 für Lavín. Vom übertriebenen Optimismus, der kurz nach Schließung der Wahllokale aus der Zentrale der Sozialisten drang, keine Spur. Und im Hauptquartier des ultrarechten Lavín machte man das, was man schon im ganzen Wahlkampf getan hatte: Es wurde getanzt und gesungen. Da keiner der Kandidaten über 50 Prozent erringen konnte, geht es am 16. Januar in die zweite Runde.

„Lagos hat sich schwer geirrt, als er sagte, dass er in der ersten Runde gewinnen wird“, freut sich der neurechte Polityuppie Lavín: „Wir werden hart für den Wandel arbeiten“, kündigte er an. In der Tat wird Lagos sich warm anziehen müssen. Lavín hat einen professionellen Wahlkampf hingelegt und genug Geldquellen, die er anzapfen kann. Als Strategie haben seine professionellen Berater ausgegeben: Je populistischer, um so besser, nur nicht zu viel Politik. Daher wurde bei seinen Wahlkampfauftritten auch mehr getanzt und gesungen als gesprochen. Und wenn, gab er nur kurze Parolen aus wie: „Die Leute haben die Streitereien der Politiker satt.“

Zehn Jahre lang waren Sozialisten und Christdemokraten mit an der Regierung, zehn Jahre lang war Lagos Minister der Concertación, der großen Koalition. Somit gilt er als Kandidat für die Kontinuität. Nur, in zehn Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit verdoppelt, und die Wirtschaft liegt derzeit wegen der Asienkrise am Boden. Hierfür wird auch Lagos verantwortlich gemacht. Die Enttäuschung bei den Linken war groß. Hinter Gladys Marín, Kandidatin der KP, setzten gerade mal 3,7 Prozent der Wähler ihr Kreuz. Grüne und Humanisten blieben ohne Bedeutung. Daher hat Lagos kaum Potential, auf das er im zweiten Wahlgang setzen kann.

Mit einem solch schwachen Gegner hatte Lavín leichtes Spiel. Sein Zauberwort hieß „Wandel“. Geholfen hat Lavín, dass Ex-Diktator Augusto Pinochet außer Landes weilt. Andernfalls wäre die Erinnerung an die Diktatur lebendig gewesen, und die Rechten hätten es schwerer gehabt. Aber so konnte Lavín, Berater Pinochets von 1973 bis 1990, versichern: „Pinochet gehört der Vergangenheit an, ich gehöre zu einer neuen Generation.“ Ingo Malcher