Sparen, umschichten oder mehr Geld ausgeben

Bei der Haushaltsabstimmung vermittelt Schreyer zwischen Rat und Parlament

Brüssel (taz) – Als für den Haushalt zuständige Kommissarin muss Michaele Schreyer gleich zu Beginn ihrer Amtszeit vermitteln: im ersten handfesten Krach zwischen Ministerrat und dem im Juni neu gewählten Parlament. Heute wird in Straßburg in zweiter Lesung über den Haushaltsentwurf 2000 abgestimmt.

Während der Rat auf Spardisziplin besteht und den unter deutscher Präsidentschaft beschlossenen Ausgabenrahmen einhalten will, verweist das Parlament auf die hinzugekommenen teuren Aufgaben: Balkan-Stabilitätspakt, Kosovo-Hilfe, Erdbeben in der Türkei und humanitäre Hilfe in Osttimor.

Lediglich die Grünen im Europaparlament plädieren dafür, nur einen Teil der 500 Millionen Euro – rund eine Milliarde Mark –, die nächstes Jahr für das Kosovo bereitgestellt werden müssen, mit „frischem Geld“ zu finanzieren und ansonsten zu sparen und umzuschichten. Die Mehrheit geht auf Konfrontation zum Rat.

Die Konservativen im Europaparlament erinnern daran, dass sich die Staatschefs bereits beim Berliner Gipfel im März dieses Jahres bereit erklärten, den Finanzrahmen auszuweiten, falls Zusatzkosten im Kosovo zu erwarten seien. Alle Parteien wenden sich gegen den Sparvorschlag des Rates, im umgekehrten Gießkannenverfahren alle außenpolitischen Ausgaben um zehn Prozent zu kürzen und damit die Kosovo-Hilfe zu finanzieren. Nach Ansicht der Parlamentarier kann auf dieser Grundlage nicht seriös gewirtschaftet werden. Bereits 1999 seien fünf Nachtragshaushalte notwendig gewesen.

Da der strittige Betrag von 500 Millionen Euro kaum 0,6 Prozent des EU-Haushaltes ausmacht – das entspricht etwa dem Budget einer Stadt wie Stuttgart –, liegt der Verdacht nahe, dass hinter dem Streit ums Geld etwas anderes steckt: Das Parlament will sich von dem Ruf befreien, ein einflussloser Debattierklub zu sein.

Michaele Schreyer hatte sich zunächst deutlich zur ursprünglich vereinbarten Haushaltsdisziplin bekannt. Inzwischen ist sie von ihrer strengen Haltung abgerückt. Nur 180 Millionen Euro sollen laut Kommissionskompromiss im außenpolitischen Bereich für Kosovo eingespart werden. 70 Millionen Euro sollen aus dem Topf für unvorhergesehene Ausgaben kommen – der so genannten Flexibilitätsreserve. 140 Millionen Euro könnten aus nicht abgerufenen Kosovo-Mitteln dieses Jahres und aus dem allgemeinen humanitären Hilfsprogramm, 110 Millionen aus dem Agrarbereich umgeschichtet werden.

Sparen wird Michaele Schreyer dennoch – bei ihrem eigenen Verwaltungsapparat. Der für Kommissionsreform zuständige Kommissar Neil Kinnock hat vorgeschlagen, 200 Angestellte aus Schreyers Generaldirektion Finanzkontrolle auf die Fachabteilungen zu verteilen.

Ein neuer interner Auditdienst – eine Art interner Rechnungshof – mit dreißig Mitarbeitern soll Neil Kinnock direkt unterstellt werden. Schreyer soll den Vorsitz eines neu entstehenden Beraterstabs übernehmen, der die Anwendung der abteilungsinternen Kontrolle überwachen und den Kontakt zum Rechnungshof halten soll. Offiziell begrüßt sie die Neuerungen als „gestiegene Gestaltungskompetenz“. Tatsächlich hat sich Kinnock mit dem Plan durchgesetzt, Schreyer nur die Budgetverantwortung zu lassen und die Finanzkontrolle in seinen eigenen Aufgabenbereich einzugliedern.

Daniela Weingärtner