Es bestand ein klein wenig Umformulierungsbedarf

Homos in wilder Ehe? Die CDU hat heftig um die neue Familienpolitik gerungen

Den 140 Delegierten, die gestern auf dem kleinen Parteitag der CDU über den familienpolitischen Leitantrag des Vorstandes abstimmten, dürften die Ohren geklungen haben. Von Männerfreundschaften war in der Debatte die Rede und von Familienbanden. Mit Blick auf den Parteispenden-Skandal um Übervater Helmut Kohl bekam die Debatte einen unbeabsichtigten Hintersinn.

Denn nach beinahe täglich neuen Enthüllungen über Kiep, Kohl & Co. wollte Generalsekretärin Angela Merkel endlich wieder mit Sachfragen Schlagzeilen machen. Doch der Antrag zur Familienpolitik, den die CDU-Spitze im Oktober vorgestellt hatte, sorgte bereits im Vorfeld für Streit.

Unter dem programmatischen Titel „Lust auf Familie“ wollten Merkel und CDU-Chef Wolfgang Schäuble den „tief greifenden Veränderungen der Gesellschaft“ Rechnung tragen.

Doch empörte Aufschreie gingen durch die Partei, als der Vorstand ankündigte, nichteheliche Gemeinschaften aufzuwerten. Nach neuer Lesart soll Familie künftig auch allein Erziehende und unverheiratete Paare mit Kindern umfassen. Eine geradezu revolutionäre Kehrtwende in der christdemokratischen Familienpolitik. Mit dem lapidaren Hinweis „Wer will, kann ja heiraten“ hatten konservative christlich-demokratische Familienpolitiker in der Vergangenheit jeden Angriff auf das Institut Ehe abgewehrt.

670 Änderungswünsche gingen denn auch beim Vorstand ein. Rasch schrieb dieser daraufhin einige Passagen um. „Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen“, heißt es nun. Nur noch in Nuancen wird sich die Union damit von den Sozialdemokraten unterscheiden. „Familie ist überall dort, wo Kinder sind“, hatte Ministerin Christine Bergmann (SPD) es formuliert.

Am umstrittensten war die Formulierung gewesen, nach der gleichgeschlechtliche Paare ausdrücklich anerkannt werden. „Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf zu verwirklichen suchen.“ An der Bastion Ehe will die CDU gleichwohl nicht rütteln. „Eine rechtliche Gleichstellung dieser Lebensgemeinschaften mit der Ehe lehnen wir ab“, haben die Parteipräsiden allen weitergehenden Interpretationen den Riegel vorgeschoben. Sie wollen lediglich prüfen, „welche rechtlichen Hindernisse beseitigt werden können“. Aber selbst diese vage Formulierung ging einigen Landes- und Bezirksverbänden bereits zu weit. Angela Merkel ruderte auch hier zurück. Der Passus soll „ein klein wenig“ umformuliert werden.

Die CDU setzt auch künftig auf die Familie. Das zeigen die Passagen zum Steuerrecht: Kinder- und Erziehungsgeld wollen Merkel und Parteichef Wolfgang Schäuble zu einem in der Summe höheren Familiengeld zusammenfassen und zudem einen Rentenbonus für Familien mit Kindern prüfen. „Vielen Paaren falle die Entscheidung für Kinder schwer, weil sie auf einigen Wohlstand verzichten müssen“, sagte Merkel gestern. Noch ist allerdings die Finanzierung umstritten.

Der Familienbund der Deutschen Katholiken hatte die Pläne der CDU bereits als nicht weitreichend genug kritisiert. Es fehle „ein klares Bekenntnis“ zur Besserstellung von Familien, sagte der Verbandspräsident und thüringische Justizminister Andreas Birkmann. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1998 eine Entlastung um bis zu fünfzig Milliarden Mark gefordert.

Nach dem Willen der Parteiführung sollen zudem beide Elternteile den dreijährigen Erziehungsurlaub anteilig in Anspruch nehmen können. Diese „Familienzeit“ soll über zehn Jahre hinweg gelten.

Nach den Affären der letzten Wochen scheint sich die CDU nach Ruhe zu sehnen. Mit wenigen Gegenstimmen nahmen die Delegierten gestern den Leitantrag des Vorstandes an.

Nicole Maschler, Berlin