Die Zwanni-Affäre

Kieler Wahlkampf im Netz, Teil 3: Die Grünen tun so nett, wollen aber nur unser Geld  ■ Von Peter Ahrens

Die Grünen – man muss sie einfach gern haben. Sie verschicken niedliche Weihnachts-E-Mails mit Schneemännern und Christbäumen, die Spitzenkandidatin teilt mit: „Nicht vergessen, der Tag hat 24 Stunden“, und ihre Wahlkampf-Internet-Adresse heißt: www.dranbleiben.de. Der Umweltminister Rainder Steenblock blickt sympathisch, aber seriös ins WählerInnen-Auge, die Fraktionschefin lacht offen und nett vom Plakat. Bei Irene Fröhlich würde man gern Gebrauchtwagen kaufen.

Joschka kommt gleich viermal in den Norden, hier wird man noch mit Vornamen angesprochen und geduzt, und gesund leben sie auch, die Grünen hinterm Deich. „Ich werde auf jeden Fall mit dem Rauchen aufhören“, teilt ein Martin Eis dem Internet-Volk mit, denn „das passt nun wirklich nicht ins nächste Jahrhundert“. Man ist geneigt, dem Martin alle verfügbaren Daumen zu drücken, damit sein guter Vorsatz in Erfüllung geht. Man ist überhaupt voll mit warmen Gefühlen. Bei Irene und Rainder auf dem Land. Man vermeint, im Hintergrund das gemütliche Kaminfeuer prasseln zu hören.

Auch Erstwähler werden nicht einsam und allein im Dauerregen stehen gelassen. Beim „Wahlrecht für Anfänger“ wird dankenswerterweise Aufklärung betrieben: „Nur mit der Zweitstimme kommen wir über fünf Prozent.“ Fortgeschrittene werden anschließend eine Pforte weitergeführt und in die mystische Welt der Überhangmandate eingeführt, und auch hier lässt die aufhellende Hilfestellung nicht lange auf sich warten: „Wenn eine Partei weniger als fünf Prozent bei den Zweitstimmen bekommt, kommt sie nicht ins Parlament.“ Das ist mehr als deutlich, da weiß man, was man zu wählen hat. Jeder wird doch wohl wollen, dass solche geraden, klaren Menschen uns parlamentarisch vertreten. Kein Falsch war in ihrem Auge zu erblicken, wie es beim Kollegen Karl May so gern heißt.

Aber halt. Was ist das? Nach all' den positiven Eindrücken plötzlich der Schock: Es tut sich eine grüne Spendenaffäre auf. Steilvorlage für investigative Enthüller: Grünwähler sollen 20-Mark-Scheine an die Partei spenden, wird unverhohlen im Netz geworben: „Die sind grün, weiblich und ehrlich.“ Unter dem Motto „Grüne nach Kiel“ sollen Spendenfreudige ihren Namen mailen und den Zwanziger auf den Bildschirm aufkleben. Der Skandal holt den Norden wieder ein.

Nach Barschel, nach der Schubladen-Affäre jetzt die Zwanni-Affäre. Die Glaubwürdigkeit ist dahin. Schade, doch nicht wählbar.