Achtung: Radioaktiv!

■ Für das geplante Atom-Zwischenlager Emsland beginnt heute der Erörterungstermin / die taz sprach mit einer der mehr als 3.000 EinwenderInnen über ihre Sorgen

Heute beginnt der Erörterungstermin im atomrechtlichen Verfahren gegen das geplante Standort-Zwischenlager des Atomkraftwerks Emsland (KKE) bei Lingen. Die Bremerin Helga Rinsky ist eine der 3.247 EinwenderInnen, die in den nächsten Tagen ihre Bedenken gegen den Bau des Zwischenlagers öffentlich vortragen können. „Dezentrale Zwischenlager, wie das in Lingen, werden den unbefristeten Weiterbetrieb der Atomkraftwerke absichern. Das gilt nicht nur für das AKW Emsland, an fast jedem anderen AKW soll demnächst ein Zwischenlager gebaut werden.

Anträge für die Atomkraftwerke Krümmel und Brünsbüttel liegen bereits vor“, berichtet Helga Rinsky. Sie fährt als Vertreterin des Arbeitskreises Wesermarsch, der Bürgerinitiative gegen das AKW Esensham, zum Erörterungstermin nach Lingen. Bremen ist von fünf AKW-Standorten umgeben, an denen entsprechende Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente gebaut werden könnten: Esensham liegt 45 Kilometer von der Bremer Innenstadt entfernt, Stade 70 Kilometer, Brunsbüttel und Brokdorf etwa 90 Kilometer, Krümmel 110 Kilometer. „In rund drei Jahren werden die Lagerkapazitäten des AKW Unterweser in Esensham erschöpft sein, und da die Betreiber mit etwa drei Jahren Verfahrensdauer bis zur Fertigstellung eines Zwischenlagers rechnen, bereiten wir uns schon mal auf eine Kam-pagne zum Genehmigungsverfahren in Esensham vor“, sagt Helga Rinsky.

Ende November 1998 hatten die Betreiber des Atomkraftwerks Emsland die Planung eines Brennelemente-Zwischenlagers bekannt gegeben und verkündet, dass in drei Jahren Atommülltransporte in die britische Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield überflüssig werden könnten. Die Kapazität der Lagerhalle soll 120 Stellplätze betragen. „Das reicht aus, um die Brennelemente aus bis zu 50 Betriebsjahren des AKW-Lingen aufzunehmen – abenteuerlich“, empört sich darüber Helga Rinsky. Die GegnerInnen des geplanten Zwischenlagers fürchten allerdings nicht nur einen unbefristeten Weiterbetrieb des AKW Emsland, sondern auch, dass Atommüll aus anderen Atomkraftwerken in Lingen gelagert werden könnte. Anders seien die planten 120 Behälterstellplätze kaum zu erklären.

Die Atomgesetznovelle des grünen Bundesumweltministers Jürgen Trittin verspricht eine Reduzierung der Gefahren durch die Einrichtung dezentraler Zwischenlager am AKW-Standort. Riskante Atommülltransporte können vermieden werden, die Risiken einer radioaktiven Verstrahlung für die Bevölkerung sollen sich dadurch verringern. „Das ist Quatsch“, so Helga Rinsky. „So wie die Zwischenlager jetzt geplant werden, führt das auf jeden Fall zu einer Erhöhung des Risikos vor Ort. Erst wenn der Ausstieg eindeutig geregelt ist, kann über Zwischenlager geredet werden.“ Die GegnerInnen des Zwischenlagers gehen davon aus, dass sich durch die Erhöhung der Aktivität auf dem Gelände – also Brennelemente nicht nur im Reaktor und im Nasslager wie bisher, sondern auch im Zwischenlager – das Gefahrenpotential am Standort erhöht. Deshalb sei es unabdingbar notwendig, die Größe eines Zwischenlagers an die Restlaufzeit des jeweiligen AKW zu binden. Nur so, wenn überhaupt, sei eine Akzeptanz für zusätzliche Zwischenlager vorstellbar.

„Der hochgefährliche Atommüll steht, als sich täglich vergrößernde Zeitbombe, auf dem AKW-Gelände rum. Die einfache Fabriklagerhalle mit Schlitzen für die notwendige Luftkühlung bietet weder Schutz vor äußeren Einflüssen wie Flugzeugabstürzen und Sabotage, noch vor dem Entweichen von Radioaktivität aus undichten Behältern.“ berichtet Rinsky. Da kein Endlager existiere und auch keines in Sicht sei, bestehe die Gefahr, dass der Atommüll an den AKW-Standorten ohne Ende lagere. Die Bundesregierung und die Betreiber würden ohne Entsorgungskonzept mit dem Bau der dezentralen Zwischenlager den Weg des geringsten Widerstandes gehen und so den Protesten der Anti-AKW-Bewegung gegen Atommülltransporte ausweichen. Helga Rinsky dazu: „Wir werden auch weiterhin für den Sofort-Ausstieg mit allen Konsequenzen auf die Straße gehen. Betriebslaufzeiten von 30 Jahren, wie sie derzeitig in Berlin gehandelt werden, sind völlig absurd. Für mich völlig unakzeptabel.“

Tina Dannheim

Der Erörterungtermin in Lingen beginnt heute, um 11 Uhr, in den Emslandhallen, Lindenstraße 24 a in Lingen. Am Donnerstag, Freitag und Samstag wird der Termin jeweils um 10 Uhr fortgesetzt. Das voraussichtliche Ende ist jeweils um 20.30 Uhr. Sollte die Erörterung am Samstag nicht beendet werden können, sind zur Fortsetzung noch der Montag und der Dienstag eingeplant.