Justiz-Schlingern auf Sparkurs

■ Frauen alarmiert über erste Pläne im Justizressort: Danach wären „einfach gelagerte Fälle“ von Gewalt gegen Frauen dem Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft entzogen worden

Wer seine Frau schlägt, verfolgt, verletzt, nötigt, vergewaltigt oder bedroht, wird – bei Anzeige – ein Fall für die Sonder-Staatsanwältin. Mit dieser Regelung galt Bremen bundesweit bislang als vorbildlich. Doch aus Frauensicht drohte diesem Bremer Vorbild kurzzeitig das Aus.

Ende vergangener Woche kursierte erstsmals eine Senatsvorlage, erstellt im SPD-geführten Justizressort, nach der „einfach gelagerte Fälle“ von Männergewalt künftig an die AmtsanwältInnen in der Staatsanwaltschaft verteilt werden sollten. Dem Sonderdezernat wären dann nur noch schwerwiegende Fälle zugekommen. Beobachterinnen sahen darin einen folgenschweren Rückschritt. Doch das Justizressort gibt jetzt Entwarnung: „Das Sonderdezernat wird aufgewertet.“ Den jetzt mit halber Stelle tätigen zwei Staatsanwältinnen solle eine Amtsanwältin fest zugeordnet werden. Das will das Justizressort heute auch in der Bürgerschaft bekannt geben. Das Thema kam auf Grund einer Kleinen Anfrage der SPD auf die Tagesordnung der heutigen Fragestunde (zwischen zehn und elf Uhr).

Zur Entrüstung über die Justiz-Pläne war es mit gutem Grund gekommen. Denn viele BremerInnen erinnern sich noch daran, warum 1991 Fälle von „häuslicher Beziehungsgewalt“ – Mann schlägt Ehefrau und Kinder – im damals bereits seit sieben Jahren existierenden Sonderdezernat „Gewalt gegen Frauen“ verankert wurden. Bis dato waren nur schwerwiegende Gewaltdelikte gegen Frauen dort bearbeitet wurden, während minderschwere Fälle auf den Schreibtischen der unterschiedlichsten und weniger qualifizierten AmtsanwältInnen landeten, die sie wie etwa Diebstähle oder anderes abarbeiteten. Doch 1991 hatte dieses System schwerwiegende Folgen für die Nepalesin Nirmala Ataie gehabt. Während ihre Anzeige gegen den gewalttätigen Ehemann noch in den Schreibstuben schmorte, überfiel der Mann sie und erstach sie brutal im Bürgerpark. Bis aus der Justizbehörde der Bescheid erging, dass das Verfahren gegen den gewalttätigen Mann wegen „mangelndem öffentlichen Interesse“ eingestellt worden war, lebte Nirmala Ataie schon nicht mehr. Die Behörde zog daraus Konsequenzen und ordnete derartige Anzeigen fortan dem Sonderdezernat zu.

Doch nicht nur aus diesem Grund herrschte über die bekannt gewordenen Überlegungen im Justizressort Überraschung und Ablehnung. Auch dass Bürgermeister und Justizsenator Henning Scherf doch erst kürzlich für eine Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen bremenweit auf Plakaten posiert und gedroht hatte, Gewalt gegen Frauen ernst zu nehmen, passte nicht in die Justizplanungen. Beim Verein „Neue Wege“, der Opfer von Beziehungsgewalt und auch Täter berät, sprach Vorstandfrau Rosi Willnecker angesichts der Planungen von einer „paradoxen Situation“. Damit würde das Vorgehen gegen schlagende (Ehe-)Männer wieder unübersichtlich und uneinheitlich – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bundesfamilien- und Bundesjustizministerinnen einen bundesweiten Aktionsplan gegen Männergewalt ausgerufen haben. Hierfür sei das Sonderdezernat eine wichtige „Schnittstelle“. Nicht nur würden von hier aus Taten verfolgt. Sie würden vielmehr auch erfasst. Dies sei immens wichtig, um das weitere Vorgehen gegen solche Übergriffe zu koordinieren. Denn noch immer sei das Ausmaß dieser Gewalttaten nicht vollständig bekannt. ede