Der Individualhubschrauber in Mitte

Hier wurde der Spätneunziger-Chic kreiert: Die Einrichtung im WMF führt die unterschiedlichsten Fraktionen hipper Trinker der Stadt zusammen. Seit zwei Jahren ist der Club in der Johannisstraße ■ Von Tobias Rapp

Gründe zu feiern gibt es immer. Das gilt für alle Clubs und für das WMF ganz besonders. Und wenn nicht gerade die Love Parade, die Hoferöffnung, die Hofschließung, die Berlinale oder schlicht das Wochenende vor der Tür steht, dann tut es auch immer ein Geburtstag. Im Falle des WMF und der kommenden Wochen fällt da einiges zusammen: Der zweite Geburtstag der Eröffnung des WMF in der Johannisstraße, Weihnachten und Sylvester.

Seit fast zehn Jahren gibt es das WMF jetzt schon, und es ist einer der beiden letzten Läden aus der Nachwendeclubgründerzeit, der das sogenannte Clubsterben und das freiwillige Sich-anders-Entscheiden-oder-sonstwie-Zerstreiten seiner Macher überlebt hat. Der andere ist der Tresor. Doch im Unterschied zu jenem, der noch immer am gleichen Ort steht, ist das WMF nach dem WMF-Haus in der Mauerstraße, dem unterirdischen Club am Potsdamer Platz und den Räumlichkeiten an der Burgstraße, nun in der Johannisstraße schon in seiner vierten Location.

Wo immer sich der Tresor für Kontinuität entschied, operiert das WMF mit Offenheit: Während man beim Tresor den Berlin-Detroiter-Techno-Vertrag unterzeichnen muss, wenn man sich wohlfühlen will, reicht im WMF das überall gültige Hipsterprotokoll. Und das ist inhaltlich weit weniger genau definiert. Wo der Tresor Hardware und Software zur Verfügung stellt, beschränkt sich das WMF auf ersteres. Alle möglichen Musikrichtungen und Gruppen von Leuten nennen das WMF ihr eigen, von den Internet-Spezialisten rund um die Mikrolounge, bis zum Knalloballo-Hedonistenverein Kingsclub, wo die Jeunesse dorée der Stadt im Helmut-Lang- oder D & G-Chic ihr Geld aus dem Fenster schmeißt, dass es eine Freude ist.

Einen größeren Unterschied als zwischen diesen beiden Gruppen kann man sich zwar eigentlich kaum vorstellen, doch es geht eben nicht um Inhalte, sondern um Formales. Und da bewegt sich der ideelle Gesamtberliner Hipster dieser Tage zwischen den Polen des Über-open-source-software-parlieren-Könnens und dem Was-kostet-die-Welt-Schreien-und-Champagnertrinken. Im WMF kommt es nur darauf an, den richtigen Mittwoch und das richtige Outfit zu erwischen, um hier oder dort zu landen.

Und die Klammer, die diese verschiedenen Fraktionen des hippen Trinkens und Herumstehens verbindet und dafür sorgt, dass sie dieser Beschäftigung in der Johannisstraße nachgehen, ist – neben der historisch überlieferten Stilsicherheit – die Einrichtung des WMF. Auch die Räume in der Burgstraße atmeten schon den Republikpalast-Chic der runden Bar, konnten sich aber noch nicht völlig von dem Kellererbe lösen, das die vorherigen Orte dem Club mitgegeben hatten. Das hat die Johannisstraße geschafft.

Ohne die Vergangenheit zu verleugnen hat es das WMF hier mit der Lounge und der Bar aus dem Republikpalast geschafft, so etwas wie einen Berliner Spätneunziger-Chic zu kreieren, der tatsächlich als Nachfolgemodell des Frühneunzigerkellerclubs funktioniert. Die Einrichtung strahlt gediegene Sachlichkeit und preußische Vernunft aus, ohne Retro-Niedlichkeit und auch ohne Kälte, ergänzt durch die Videoinstallationen, die Innovation und Modernität signalisieren. Das ist die perfekte Umsetzung der Vorstellungen der Neuen Mitte und bereit, mit dem jeweiligen Amüsement des Abends gefüllt zu werden. Das kann der donnerstägliche Jazzanova-Sound sein, der in Max als der Sound von Berlin überhaupt gehandelt wird, das kann der freitägliche Drum ’n’ Bass von Hard:edged sein, die samstägliche House-Musik von Highfish & Diringer oder der sonntägliche Vocal-House des GMF. Und genauso werden auch die kommenden zwei Wochen aussehen.

Der wunderschöne Hof, der im Sommer in gelungenen Momenten manchmal ein Ibiza-Gefühl lostrat, wird wegen der Kälte geschlossen sein, und wenn das Geld und die Zigaretten alle sind, wird man nach Hause gehen und sich fragen: War’s das? Haben wir das gewollt? Ist das der Individualhubschrauber, den die frühen Neunziger uns versprochen haben? Vielleicht. Das WMF wird auf jeden Fall genauso mobil bleiben, wie es ist. Das Ende für die Räumlichkeiten in der Johannisstraße ist für das kommende Frühjahr angekündigt, wenn dort ein Medienzentrum entstehen wird. Ein neuer Ort für das WMF soll allerdings schon gefunden sein.