Schlechtes Klima im Museum

Berlins renommiertestes Museumsprojekt, das Jüdische Museum, eröffnet erst 2001 statt wie geplant im kommenden Jahr. Schuld ist die Lüftungsanlage ■ Von Rolf Lautenschläger

Es gibt Museen, die erst durch ihre Exponate und Sammlungen zu wirklichen Museumsbauten aufsteigen. Beim neuen Jüdischen Museum des Architekten Daniel Libeskind ist das anders. Seit der Fertigstellung des gezackten Gebäudes Ende 1998 bildet das leere Haus eine touristische und bauliche Hauptattraktion in Berlin. Noch in dieser Woche wird der 100.000. Besucher erwartet – Tendenz steigend.

Worüber sich jeder andere Museumsdirektor freuen würde, nämlich das ungebremste Interesse an der Architektur und dem zukünftigen Konzept des Ausstellungshauses jüdisch-deutscher Geschichte, ist für den Chef des Jüdischen Museums nun zum Problem avanciert.

Michael Blumenthal, sonst gut aufgelegter Unterhalter, trat gestern sichtlich bedrückt vor die Presse. Was als Gerücht durch die Stadt geisterte, dass die geplante Eröffnung 2000 verschoben werden sollte, da weit mehr Besucher erwartet werden, als die installierte Klimaanlage verkraftet, ist „ein Fakt“. Das Grand Opening des Jüdischen Museums, so Blumenthal, müsse auf Sommer oder Herbst 2001 verschoben werden „wegen der Aufbesserung der technischen Infrastruktur“. Wer die Kosten für den Aus- und Einbau der museumsgerechten Lüftung in Millionenhöhe tragen wird, ist unklar.

Klar ist, dass damit das derzeit renommierteste Berliner Museumsprojekt – 2.000 Jahre jüdische Geschichte in Deutschland – sich erneut verzögert. Klar ist auch, dass sich das Nutzungskonzept und der Zweck des Museums verändert haben, ohne dass sich das Land als Bauherr und die Museumsmacher damit rechtzeitig auseinandergesetzt hätten.

Wenn Blumenthal heute von Besucherzahlen zwischen „500.000 bis zu einer Million jährlich“ ausgeht und davon spricht, dass diese das Museum in eine Situation bringen, die „neu ist“, stimmt das nicht gänzlich. Die „Mission Jüdisches Museum“, wie Blumenthal das Projekt begreift, ist vom Land lange Zeit nicht ernsthaft diskutiert worden. Der Neubau wurde als ungeliebtes Kind vor über 10 Jahren lediglich als Erweiterungsbau für das Berliner Stadtmuseum geplant. Die „Jüdische Abteilung“ sollte gewissermaßen als Anhängsel des Stadtmuseums fungieren. Erst 1998 entstand ein autonomes Jüdisches Museum, das den gesamten Libeskindbau sowie das benachbarte Kollegienhaus auf 5.700 Quadratmeter Ausstellungsfläche bespielen kann.

Blumenthal, dessen jüdische Familie die Nazis ins Exil trieben und der unter Jimmy Carter zum US-Finanzminister aufstieg, hat seine Absichten bereits bei seiner Berufung als Direktor 1997 verkündet. Der Libeskindbau sollte das größte jüdische Museum Europas werden, das die Besuchermassen anziehen wird.

Damals war der 120 Millionen Mark teure Bau nicht fertig gestellt und die Verbesserung der Klimaanlage noch möglich. Aber niemand bei der Bauverwaltung, im Architekturbüro und auch im Museum hat da wohl die Ohren gespitzt, wie ein Mitarbeiter des Museums kritisiert. Auch der Direktor selbst trägt ein Stück Mitverantwortung: nämlich nicht rechtzeitig auf eine Überprüfung der Lüftungsanlage gedrängt zu haben.

Ein Gutes bringt die Verzögerung mit sich. Statt des geplanten „ersten Segments“ für die Dauerausstellung wird bei der Eröffnung 2001 die „Geschichte der Juden in Deutschland in Gänze“ zu sehen sein, frohlockte Museumschef Blumenthal.

Außerdem besteht Zeit, die wissenschaftlichen Abteilungen des Hauses auszustatten sowie Archive, Bibliothek und Sammlungen in Ruhe einzurichten. Zum „wichtigsten Zentrum wissenschaftlicher Arbeit“ über die jüdische-deutsche Geschichte wird dann auch das Leo-Baeck-Archiv mit seiner großen Sammlung jüdischer Dokumente zählen. „Wir werden die Filiale von New York“, sagte Blumenthal am Ende wieder besser gelaunt.