American Pie
: Das recyclte Eiswunder

Die Pittsburgh Penguins wollen mit legendärem Coach die NHL überrollen

Cuz I saw you dancin’ in the gym

Viele Spieler des Eishockeyteams der Pittsburgh Penguins konnten nichts anfangen mit dem älteren Herrn, der sich letzte Woche als ihr neuer Coach vorstellte. Sie sind Europäer, und der Name Herb Brooks sagt ihnen wenig. In den USA jedoch ist der 62-Jährige eine Legende. Bei vielen Umfragen wurde als größtes Sportereignis der Geschichte das „Wunder auf dem Eis“ gewählt, der Olympiasieg des US-Teams 1980 in Lake Placid mit weitgehend unbekannten College-Spielern gegen die übermächtige Sbornaja aus der Sowjetunion. Der Coach des Wunderteams war Herb Brooks.

In der NHL, wo er nach dem Mirakel schnell landete, war Brooks weniger erfolgreich. Mit den New York Rangers, den Minnesota North Stars und den

New Jersey Devils schaffte er es nicht, eine positive Bilanz zu erreichen. Immerhin setzte er um, was er den Sowjets abgeschaut hatte. Bei den Rangers führte Brooks erstmals in der NHL den europäischen Stil ein, technisch perfektes, schnelles Eishockey mit weniger Körpereinsatz als beim traditionellen kanadischen Hockey.

Genau das Richtige für die Pittsburgh Penguins, wo zahlreiche Europäer unter Vertrag stehen und der Besitzer seit September kein anderer als Mario Lemieux ist, der größte Star, den die Penguins je hatten, und ein glühender Anhänger offensiven Hockeys. Als Lemieux den Klub vor dem Konkurs rettete, war klar, dass die Tage von Coach Kevin Constantine gezählt waren. Der bevorzugte einen sehr defensiven Stil und war darob häufig mit Jaromir Jagr, dem tschechischen Crack im Team, aneinander geraten.

Eine Serie von fünf sieglosen Spielen und die Aussicht, erstmals seit 1990 die Playoffs zu verpassen, besiegelte Constantines Schicksal. Das Hurra-Eishockey hielt Einzug in Pittsburgh. „Das ist Eis da draußen, kein Asphalt, Holz oder Dreck“, verkündete Brooks bei Amtsantritt, „wir bevorzugen ein rasantes, dynamisches Spiel.“ Den Profis klingen solche Worte wie Musik in den Ohren. Der neue Coach gibt ihnen mehr Freiheit, und vor allem setzt er auf Spaß. „Die Idee ist, den Akteuren das Spiel zurückzugeben, sie nicht zu ersticken und nicht wie einen Haufen Roboter zu behandeln“, erklärt Brooks und fügt hinzu: „Schließlich sind wir in der Unterhaltungsindustrie.“

Das neue „full-court-pressing“ erfordert von den Spielern aber auch mehr Laufbereitschaft. „Angreifen, angreifen, angreifen, angreifen“, predigt Brooks, eine Taktik, die schnelleres Auswechseln und die volle Ausschöpfung des Kaders erfordert. Wer auf der Bank sitzt, kommt auch zum Einsatz. „Ich denke, wenn du ein Trikot hast und in der großen Liga bist, muss auch ein Platz zum Spielen für dich da sein“, sagt der Coach, der künftig mit vier Sturmreihen operieren will.

Die neue Medizin für das kränkelnde Team, das vor dem Trainerwechsel nur achtmal in 25 Spielen gewonnen hatte, scheint zu wirken. In den ersten beiden Matches mit Brooks an der Bande gab es ein 3:0 gegen Washington und ein 4:2 gegen Phoenix. „Zwei Spiele machen noch keine Saison“, stapelt Brooks tief, „aber die Jungs haben gekämpft, gekämpft und gekämpft.“ Es sei „wunderbar“, frohlockt Stürmer Matthew Barnaby und konstatiert: „Es macht mir wieder Riesenspaß, Eishockey zu spielen.“ Zumindest was die Stimmung betrifft, ist Herb Brooks in Pittsburgh schon ein kleines Wunder gelungen. Matti Lieske