Robocop, das Schätzchen

Zeichentrick für alle, egal wie alt: „Der Gigant aus dem All“

In den letzten Jahren steckten die Zeichentrickfilmer in einem Dilemma. Zum einen hatte die Jahrzehnte andauernde Disney- Herrschaft über das Reich der sprechenden Tiere den in der westlichen Welt offenbar unauslöschbaren Eindruck hinterlassen, dass Animationsfilme ausschließlich für Menschen unter zwölf Jahren hergestellt werden. Und zum anderen wollten die erwachsenen Trickfilmer – ja, selbst bei Disney – auch lieber erwachsene Geschichten erzählen, wie sie dann in den düster-romantischen Musicals „Der Glöckner von Notre-Dame“ und „Anastasia“ ihren Ausdruck fanden. Mit der unfreiwilligen Wirkung, dass Eltern ihre plärrenden Kiddies aus den Lichtspieltheatern eskortieren mussten, weil sich die lieben Kleinen beinahe zu Tode fürchteten.

Mit der für Warner Bros. entstandenen Produktion „Der Gigant aus dem All“ dürfte es Regisseur Brad Bird (bisher Herstellungsleiter unter anderem von den „Simpsons“) jetzt endlich gelungen sein, Kinder und Erwachsene gleichermaßen glücklich zu machen. In seiner Adaption des Kinderbuchs „The Iron Man“ („Der Eisenmann“) von Ted Hughes erzählt Bird eine doppelte Initiationsgeschichte: Hogarth, ein einsamer fantasiebegabter Junge, entdeckt im Wald (tolle Farben: der Indian Summer im Neuenglandstaat Maine) einen riesigen eisernen Roboter, lernt im Umgang mit dem fremden Spielkameraden das Übliche über Leben, Tod, Freundschaft und Verrat – und wird darüber langsam reif und klug. Im Gegenzug führt er den eisernen Metallfresser (Lieblingsgericht: parkende Autos), der sich wie ein sympathisch-tapsiges Riesenbaby verhält, in die Welt menschlicher Gefühlsregungen ein. Was sich für die Menschheit spätestens dann als gewaltiges Glück erweist, als herauskommt, dass sich die wandelnde Blechbüchse beim geringsten Anzeichen einer Bedrohung in eine nahezu unbesiegbare Wunderwaffe mit Strahlenkanonen verwandelt.

Indem Bird die ursprünglich in England angesiedelte Geschichte ins Amerika der späten Fünfzigerjahre verlegte, gab er ihr auch einen konkreten Bezugsrahmen: die Hysterie des Kalten Krieges mit ihrer Angst vor allem Fremden und Unamerikanischen.

Zudem gönnten sich Bird und sein Team das Retro-Vergnügen, mit dem Design des Films eine detailgenaue Hommage an das amerikanische Kleinstadtleben der Fünfziger zu basteln: von der Innenausstattung des Diners, in dem Hogarths Mutter als Kellnerin arbeitet, über die Straßenkreuzer bis zur unvermeidlichen Milchbar. Und das alles ist dann noch derart liebe- und humorvoll gestaltet, dass man sich auch getrost als gealtertes Kind ins Kino trauen sollte. Traumatöse Spätschäden nicht zu befürchten. Lars Penning„Der Gigant aus dem All“. Regie: Brad Bird. USA 1999, 87 Min.