50 Jahre und kein Grund zu feiern

Staatliche Exportbürgschaften feiern 50. Geburtstag in Berlin. NGOs kritisieren, dass Umwelt- und Sozialstandards trotz Rot-Grün noch immer fehlen ■ Von Maike Rademaker

Berlin (taz) – Sehr enttäuscht sind nichtstaatliche Organisationen von der fehlenden Bereitschaft der rot-grünen Regierung, die staatlichen Ausfuhrgewährleistungen („Hermes-Bürgschaften“) zu reformieren. Anlässlich des 50. Geburtstages der Hermes-Bürgschaften demonstrierten Vertreter von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen gestern vor dem Roten Rathaus in Berlin, wo Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) zum Empfang geladen hatte. Die NGOs forderten die Bundesregierung auf, Transparenz bei der Vergabe der Bürgschaften zu schaffen, Umwelt- und Sozialstandards einzuführen und Projekte wie Atomkraftwerke, Großstaudämme und Rüstungsexporte von einer staatlichen Unterstützung auszuschließen.

Mit den Hermes-Bürgschaften versichert die Bundesregierung Exporte vor allem in Entwicklungsländer. Andere Versicherungen sind entweder gar nicht oder nur bei Zahlung hoher Gebühren bereit, die politischen und wirtschaftlichen Risiken, die Exporteure und Investoren in Entwicklungsländern eingehen, abzusichern. Ist das Land oder der Kunde zahlungsunfähig – man rechnet zum Beispiel mit hohen Ausfällen wegen der Wirtschaftskrisen in Asien und Russland – bürdet die Regierung ihm die Summe als normalverzinste Schulden auf.

Von den 59 Milliarden Mark Schuldenforderungen der deutschen Regierung gegenüber Entwicklungsländern stammen 17 Milliarden aus Hermes-Ausfällen. Solange die Länder die Schulden nicht zahlen, wird damit der Bundeshaushalt belastet.

Pro Jahr bearbeiten die 414 Mitarbeiter der Hermes-Versicherung rund 35.000 Anträge. Fast ein Viertel aller Exporte in Entwicklungsländer sind mit Hermes-Bürgschaften gedeckt. An erster Stelle stehen China und Brasilien.

Die meisten Exporte und Investitionen haben keine oder nur geringfügige ökologische und soziale Auswirkungen. Die NGOs wenden sich daher auch nicht generell gegen staatliche Exporthilfen, sondern kritisieren insbesondere Projekte wie den Maheshwar-Staudamm in Indien, für den bis zu 20.000 Menschen ohne ausreichende Kompensation umgesiedelt werden müssten, oder die Ersatzreaktoren für Tschernobyl, die als nicht sicher und überteuert gelten. Für beide Projekte sind Bürgschaften beantragt, bisher aber nicht bewilligt worden. Zuständig für die Bewilligung ist ein Interministerieller Ausschuss (IMA), dem verschiedene Bundesministerien angehören. Federführend ist das Wirtschaftsministerium.

In der Koalitionsvereinbarung hatten SPD und Grüne eine sozial-ökologische Reform der Bürgschaften gefordert. „Bis jetzt ist nichts passiert“, sagt Heffa Schücking von der Umweltorganisation „urgewald“. „Im Gegenteil. Bei unserem letzten Gespräch dazu im Bundeswirtschaftministerium hieß es, dass man auch keinen Bedarf für Reformen sieht.“

120 Organisationen, darunter alle großen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen hatten sich 1996 zu einer Kampagne zusammengeschlossen. „Sehr ärgerlich“, findet Geschäftsführer Jürgen Hambrink von der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, dass auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vor einer Reform zurückschreckt. Barbara Unmüßig von der Organisation WEED bezeichnete die Haltung des Wirtschaftministeriums, nach der das bisherige Umweltprüfverfahren ausreiche und weitere Erfahrungen über „Learning by doing“ gemacht würden, als „ziemlich zynisch“. „Tausende Menschen sind doch keine Lernprojekte für deutsche Ministerien.“

In seiner Rede zum Empfang hatte Müller betont, dass in problematischen Fällen die „sorgfältigen Prüfverfahren ein differenziertes Vorgehen“ erlaubten. Seit 1995 müssen die Firmen in einem Memorandum angeben, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht wurde und welche Umweltstandards Anwendung finden. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung hält dieses Vorgehen offensichtlich nicht für ausreichend. Laut den NGOs hat er die Einführung umweltpolitischer Kriterien und klare Prüfverfahren angemahnt. Solange nicht gewährleistet sei, dass die staatliche Exporthilfe Menschen und Umwelt nicht schädige, habe Hermes keinen Grund zu feiern.

Kommentar S. 12