Im Märchenland der Achtziger

■ Von der Kunst und ihrer Oberfläche: Stefan Bachmann übernimmt die Uraufführung von Rainald Goetz' Jeff Koons im Schauspielhaus

Das sind gleich zwei unglaubliche Behauptungen auf einmal: dass Jeff Koons ein Stück sei, obwohl es weder über Figuren verfügt noch über Regieanweisungen noch eine Dramaturgie im herkömmlichen Sinne, und dass es mit dem gleichnamigen Künstler etwas zu tun hat, der in dem Text in persona nämlich überhaupt nicht vorkommt. So funktioniert immer noch Rainald Goetz, der 1983 mit seinem Roman-Debüt Irre den deutschen Literatur- und 1987/88 mit der Stück-Trilogie Krieg den Theaterbetrieb dergestalt erschütterte, dass ihm die Erschütterten reflexartig beglückt um den Hals fielen. In den Neunzigern trat für den Arzt und promovierten Historiker Techno an die Stelle von Punk und Post-Punk, und nun wurde auch im Namen der Liebe und der Masse schon mal den Intellektuellen "viel Spaß da unten im Dreck" gewünscht.

In ebenjenem Kontext steht Jeff Koons. Und steht es nicht. Denn bei diesem poetischen Projekt, das in rasendem Viervierteltakt auf der Oberfläche von bildender Kunst entlangglitscht, operiert Goetz genüsslich mit Widersprüchen: "es geht,/ so blöd das klingt,/ um Harmonie./ Stimmt gar nicht,/ halt, stop, Lüge, falsch,/ im Gegenteil,/ es geht ums Nie der Harmonie", heißt es an einer Stelle oder an einer woanders, sehr viel prosaischer: "Und dann? Daß man danach, so irgendwie, vielleicht auf eine Art, die. Oder doch eher andersrum vielleicht. Mal schaun." Dergleichen Dialektik zielt freilich direkt auf das Wesen der Koonsschen Kunst (die der Dramatiker verehrt), ihre gleichermaßen eitle wie zynische Gratwanderung zwischen Kitsch und Affirmation einerseits und andererseits Gesellschaftskritik und unterwandernde Analyse des Kunstbetriebes. Und wie schon bei der Hamburger Neukurzfassung von Krieg Anfang 1998 blickt Goetz von heute zurück in die Achtziger wie in ein (Schauer-)Märchenland.

Für die Uraufführung im Schauspielhaus hat Goetz paradoxerweise den vielleicht versiertesten Geschichtenerzähler unter den jungen deutschen Regisseuren auserkoren: Stefan Bachmann. Man darf wirklich gespannt sein, wie er aus dem Konvolut mal sehr abstrakter, mal himmelschreiend banaler Lyrik heraus eines seiner Handlungswunder stampfen will. Die natürlich dringend benötigte Musik an diesem Abend stammt von DJ-Regisseur Stefan Pucher; dem Vernehmen nach wird er kein Stück Techno auflegen. Ralf Poerschke

Premiere: Sa, 18. Dezember, 20 Uhr, Schauspielhaus