Kino an der Zensur vorbei

■ Im Ausland erfolgreich, daheim oft verboten: Das Kino 46 zeigt jetzt iranische Filme

Seltsamerweise ist ausgerechnet der Iran eines der fruchtbarsten und interessantesten Kinoländer. Natürlich nicht im kommerziellen Sinne, aber auf Filmfestivals werden immer die neuen Werke aus dem Iran mit besonderer Spannung erwartet und Regisseure wie Abbas Kiarostamis („Quer durch den Olivenhain“) oder Mohsen Makhmalbaf („Gabbeh“) wurden von den KritikerInnen in den Pantheon der wenigen wahren FilmkünstlerInnen gelobt.

Ein Grund dafür liegt sicher darin, dass die iranischen Filmemacher ihre Werke an einer strengen Zensur vorbeischmuggeln müssen. Viele Filme dürfen erst nach langen Verzögerungen und Debatten im Ausland gezeigt werden, einige von ihnen stehen immer noch für die iranischen Kinos auf dem Index. Und es macht einen nicht unbeträchtlichen Teil des Reizes dieser Filme aus, dass man sieht, womit die Regisseure dann doch durchkommen. Auch wenn man als westlicher Zuschauer die Sprengkraft dieser Bilder höchstens erahnen kann.

Andererseits scheint es aber, als würde gerade die Zensur die Filmemacher in ihrer Ästhetik radikalisieren. Wohl kein deutscher Regisseur würde sich trauen, solch ein langsames, rätselhaftes und poetisches Finale zu inszenieren wie Kiarostamis im „Olivenhain“, und in „Raghs-E-Khak / Dance of Dust“ von Abolfazl Jalili (von heute bis Do. 18.30 Uhr) sind die Dialoge so minimal, dass der Film nicht einmal untertitelt werden muss. Auch dieser Film wurde im Iran zuerst verboten, denn er zeigt, wie die Arbeiter einer Ziegelmanufaktur fatalistisch zusehen, wie eine Sintflut die von ihnen mühsam geformten Ziegel wieder zu Lehm werden lässt.

Wie fast immer im iranischen Kino werden hier Dokumentar- und Spielfilm vermengt, der Film zeigt die Gesichter der ausgelaugten Hilfsarbeiter, erzählt aber auch von der traurigen ersten Liebe eines elfjährigen Jungen. Der Film gewann 1998 den Silbernen Löwen des Filmfestivals von Locarno, und dass er dort gezeigt werden durfte, gilt als einer der ersten Belege für Präsident Chatamis Liberalisierung des Systems.

Mohsen Makhmalbaf hat mit seinem Renommee inzwischen ganz eigene Möglichkeiten, um die Zensur auszutricksen. Sein neuer Film „Sokut / Die Stille“ (So. bis Di. 20.30 Uhr) ist eine französisch-/iranische Koproduktion, und zudem wurde er in Tadschikistan gedreht. Dort konnte er unverschleierte Frauen und Mädchen in farbenfrohen Gewändern fotografieren. Dort konnte er die weltlich sinnliche Kunst Beethovens und des Dichters Omar Chajjam feiern. Und von dort konnte er die poetische, märchenhafte Parabel von einem blinden Jungen erzählen, der durch schöne Töne verführt, in die Irre geleitet, und schließlich zu einem idealen Glücksmoment erhoben wird. Ein wunderschönes Film-Poem, das den Dogmen des iranischen Gottesstaates diametral widerspricht.

Der dritte Film der kleinen Reihe zeigt die ersten zögerlichen Versuche des iranischen Kinos, sich der westlichen Kultur zu öffnen , denn „Fassloh Padjom / Die fünfte Jahreszeit“ (heute bis Sa. 20.30 Uhr) ist eine Gesellschaftskomödie mit selbstbewussten, ja sogar schlagkräftigen Frauen, die sich ihren Humor von den französischen Farcen geholt hat. Regisseur Rafi Pitts hat in London sein Handwerk gelernt und war Regieassistent bei Jacques Doillon, und so vermischte er in seinem Debüt einen eher europäisch frechen Sinn für das Groteske mit den großartigen Landschaftsbildern seiner heimischen Filmtradition. Prompt wurde der Film zum Hit der iranischen Kinos, und ebenso prompt wurde er nach wenigen Tagen verboten.

Die Filmreihe des Kino 46 wird durch den britischen Dokumentarfilm „Divorce Iranian Style“ (So. bis Di. 18.30 Uhr) abgerundet, der anhand der Anhörung eines Familiengerichts in drei Scheidungsfällen von der Position der Frauen im Iran erzählt. Der Kinderfilm „Kinder des Himmels“ (Fr. bis So. 16 Uhr) berichtet schließlich vom kleinen Ali, der die einzigen Schuhe seiner Schwester verliert, so dass diese nicht in die Schule kann. Ali erfährt, dass der dritte Preis bei einem Wettlauf ein Paar Schuhe sind, aber natürlich gewinnt er den ersten Preis. Vielleicht ist ja auch dies eine versteckte Parabel über das iranische Kino, das im Ausland prämiert wird, aber auf heimischen Leinwänden nicht gezeigt werden darf.

Wilfried Hippen

Iranische Filmtage von heute, 16. Dezember, bis Dienstag, 21. Dezember, im Kino 46