Mit Zuckerbrot und Peitsche gegen Gensoja

Brasilianische Bauern in Rio Grande do Sul sollen dazu animiert werden, ihre genmanipulierte Aussaat zurückzunehmen. Doch viele Produzenten laufen Sturm

„Die Bundesregierung ist bereit, die Verfügungsgewalt über die Nahrungsproduktion den Multis zu überlassen.“

São Paulo (taz) – Gegen den Anbau von Gentech-Lebensmitteln entwickelt die Regierung von Rio Grande do Sul, Brasiliens südlichstem Bundesstaat, immer originellere Initiativen: In der vergangenen Woche stellte sie umgerechnet 10 Millionen Mark für günstige Kredite bereit. Damit wollte sie auch die Bauern, die bereits genmanipuliertes Sojasaatgut ausgetragen haben, dazu bringen, es durch herkömmliches zu ersetzen.

Seit einem Gerichtsurteil vom August dieses Jahres ist in ganz Brasilien der Einsatz des Monsanto-Saatguts „Roundup Ready“ untersagt. Vor einem Jahr hatte das Ministerium für Wissenschaft und Technik grünes Licht gegeben.

Die Landesregierung von Rio Grande do Sul versucht, die neue Rechtslage konsequent durchzusetzen. Bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt Anfang 1999 unterzeichnete Gouverneur Olívio Dutra von der Arbeiterpartei PT ein Dekret für Gentech-Versuchsfelder, in dem unter anderem Umweltverträglichkeitsprüfungen gefordert werden. Verstöße ahndete das Landwirtschaftsministerium rigoros: 300 Felder mit Genreis wurden abgebrannt, andere Versuche mit Mais und Soja mussten eingestellt werden.

Parallel dazu verhandelte Landwirtschaftsminister José Hermeto Hoffmann mit europäischen Käufern, darunter großen Supermarktketten, über die Abnahme von konventionell angebautem Soja. „Leider konnten wir bisher noch keine nennenswerten Verträge zu höheren Preisen abschließen“, so Hoffmann zur taz. Dabei sei für die Bauern das ökonomische Argument ausschlaggebend: „Schon ein Plus von fünf bis zehn Prozent könnte die angeblich niedrigeren Produktionskosten für Gensoja aufwiegen.“ Sollte die weitgehend gentechnikfreie Bastion Brasilien fallen, wird es für Europa nahezu unmöglich, herkömmliches Soja zu kaufen. In der Hoffnung auf größere Gewinne haben sich viele Landwirte in Rio Grande do Sul über das Gensoja-Anbauverbot hinweggesetzt. Der Schmuggel mit illegalem Saatgut aus dem benachbarten Argentinien blüht. Mehrere Stadtparlamente haben symbolische Pro-Gentech-Gesetze erlassen. „Bis zu 30 Prozent der herkömmlichen Produktion fallen Schädlingen zum Opfer“, beklagt die Bürgermeisterin von Tupanciretã, das jährlich 140.000 Tonnen Soja einfährt. Bei 700 Stichproben haben staatliche Kontrolleure im November 24 Übeltäter überführt, denen jetzt Strafverfahren ins Haus stehen. Zur Abschreckung verbrannten Polizisten konfisziertes Saatgut. In Tupanciretã belagerten 500 aufgebrachte Bauern 17 Kontrolleure zwei Tage lang, erreichten damit aber lediglich einen Aufschub der Kontrollen bis Ende Dezember.

Eine Aufklärungskampagne der Regierung über Gentech-Lebensmittel zeitigte noch keine Wirkung. „Die Diskussion über mögliche Umwelt- oder Gesundheitsschäden durch Gensoja lässt die Bauern kalt“, räumt Hoffmann ein. „Jetzt wollen wir stärker an die Konsumenten herantreten.“ Das hat bisher weitgehend Greenpeace besorgt, das in Rio Grande do Sul über besonders viele Mitglieder verfügt. Für die offizielle Proklamierung des Staates zur „gentechnikfreien Zone“ sammelten sie 45.000 Unterschriften. Laut einer Umfrage in der Hauptstadt Porto Alegre halten sich Befürworter und Gegner der Biotechnologie die Waage. Eine deutliche Mehrheit spricht sich gegen den Kauf von Genmargarine aus, aber ebenso klar lehnen die Befragten die Bestrafung von Bauern ab, die Gensoja anpflanzen.

Das Landesparlament von Porto Alegre beschloss zuletzt mit seiner Mitte-Rechts-Mehrheit, dass die Kontrolle des Gentech-Anbaus eine reine Bundesangelegenheit sei. Gegen dieses offensichtlich verfassungswidrige Gesetz wird der Gouverneur sein Veto einlegen. „Das stiftet Verwirrung“, sagt Hoffmann. Das größte Problem bleibe aber, dass die Bundesregierung das Gensoja-Verbot nicht durchsetze. „Sie ist bereit, die Verfügungsgewalt über die Nahrungsproduktion den multinationalen Konzernen zu überlassen.“

Monsanto wartet derweil auf die Freigabe für „Roundup Ready“ durch den Obersten Bundesgerichtshof in Brasília, doch die wird immer unwahrscheinlicher: Die jüngste Hiobsbotschaft ist eine Studie, die im britischen Wissenschaftsmagazin New Scientist zitiert und auch in Brasilien aufmerksam registriert wurde. Demnach brächen „Roundup Ready“-Stängel in heißem Klima auf, was zu drastischen Einbußen bei der Ernte führe. Auf Bundesebene streben die Gentech-Kritiker ein fünfjähriges Moratorium für genmanipulierte Lebensmittel an. Einen Gesetzesentwurf hat Senatorin Marina Silva (PT) nach 1997 zum zweiten Mal auf den Weg gebracht. Gerhard Dilger