Wer bekommt das Robert-Havemann-Archiv?

Förderung der unabhängigen Initiativen zur SED-Aufarbeitung weiter ungeklärt

Berlin (taz) – Der Zankapfel zwischen den Initiativen der ehemaligen DDR-Oppositionellen und der vor einem Jahr gegründeten Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur bleibt weiter bestehen. Seit Wochen ringen die Vereine um die künftige Förderung und Unabhängigkeit ihrer Archive. Die Bundesstiftung indes will ein eigenes Archiv aufbauen sowie eine wissenschaftliche Bibliothek. Die unabhängigen Initiativen befürchten, dass durch dieses Vorhaben weniger Stiftungsgelder für ihre Arbeit bleiben.

Auf der gestrigen Pressekonferenz der Bundesstiftung bekräftigte ihr Vorsitzender, der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Markus Meckel (SPD), das Vorhaben: „Das Gesetz zur Aufarbeitung gibt uns vor, ein Archiv aufzubauen.“ Eine genaue Kostenaufstellung für das Jahr 2000 konnten die Stifter allerdings immer noch nicht vorlegen. Es würden auch weiterhin zwei Drittel des Gesamtetats – vier Millionen Mark für das kommende Jahr – in die unabhängigen Archive und Aufarbeitungs-Initiativen fließen, erklärte Geschäftsführer Wolfgang Kusior. Von welchem Geld dann allerdings die zusätzliche Aufgabe, ein stiftungseigenes Archiv aufzubauen, bezahlt werden soll, darauf gab es von den Stiftungsleitern keine Antwort.

„Wir müssen die Verhandlungen mit dem Robert-Havemann-Archiv abwarten“, erklärte Meckel. „Wir stellen denen bestimmt nicht unser Archiv in Kartons vor die Tür“, konterte Andreas Otto von der Berliner Robert-Havemann-Gesellschaft. Denn viele Menschen aus der DDR-Opposition hätten ihre Dokumente dem Verein zu treuen Händen gegeben und nicht dem Staat. Das Havemann-Archiv solle weiter eigenständig bestehen bleiben. Für eine Kooperation mit der Bundesstiftung stellt Otto die Bedingung: „Wir wollen eine verbindliche Zusammenarbeit mit Verträgen.“

Der Streit um die Sammlung des Widerstandsmaterials in einer staatlichen Zentralstelle hat bereits zu Kündigungen in der Siftung geführt. Dem kritischen Mitarbeiter Stefan Wolle legte die Chefetage nahe zu gehen, und Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk hat seinen Job gekündigt, weil für ihn der Stiftungszweck nicht mehr erfüllt wird: „Die Stiftung wurde gegründet, um Oppostitonsinitiativen und private Archive zu fördern.“ Er muss es wissen, denn er saß als Sachverständiger in der Enquetekommission des Bundestages, als das Aufarbeitungsprojekt beschlossen wurde. „Staatlich verwaltete Aufarbeitung gibt es zur Genüge, etwa die Gauck-Behörde“, erklärt Kowalczuk der taz. Die so genannte „Szene“, die bereits zu DDR-Zeiten ausgegrenzt wurde, habe ein Recht auf finanzielle Unterstützung. Zudem müssten die Archive dezentral bleiben: „Die Menschen vor Ort sind Teil der Geschichte und können Auskunft über das Material geben.“Isabelle Siemes