Die Pläne der Atom-Koalition

Noch vor Weihnachten wollen sich Umweltminister Jürgen Trittin und Außenminister Joschka Fischer mit Bundeskanzler Schröder, Wirtschaftsminister Werner Müller und Innenminister Otto Schily treffen, um eine gemeinsame Linie für die Verhandlungen mit der Atomindustrie abzustimmen. Dabei wird es voraussichtlich keine großen Schwierigkeiten geben, denn die beiden Grünen haben von ihrer Partei relativ freie Hand für die Gespräche mit dem Koalitionspartner bekommen. Sie dürfen sich auf Laufzeiten von „längstens 30 Jahren“ einlassen und wurden nicht auf bestimmte Übergangsfristen festgelegt.

Ein möglicher Streitpunkt könnte die von den Grünen geforderte und von der SPD abgelehnte Besteuerung von Atom-Brennstäben werden. Doch daran, so Jürgen Trittin, werde er eine Einigung mit der SPD nicht scheitern lassen. Auch in der SPD-Fraktion soll das Thema Atomausstieg Anfang kommenden Jahres noch einmal diskutiert werden.

Die Mehrheit der Abgeordneten hätte zwar lieber Laufzeiten unter 30 Jahren, aber sie werden dem Bundeskanzler keine ernsthaften Schwierigkeiten machen. Schröder geht davon aus, dass ein Konsens mit der Industrie nur dann möglich ist, wenn die Regierung Laufzeiten von dreißig Jahren und drei Jahre Übergangsfrist für die alten Meiler anbietet. Alles andere berge das Risiko, dass die Atomkraftwerksbetreiber eine einstweilige Anordung beim Verfassungsgericht durchsetzen.

Im Januar werden die Konsensgespräche mit der Atomindustrie fortgesetzt. Drei Konzernchefs hätten vor wenigen Wochen einen Testballon gestartet, um die Reaktion der Bundesregierung sehen zu können. Sie steckten einem Journalisten, dass sie bereit wären, vier alte Meiler noch in dieser Legislaturperiode abzuschalten. Als Gegenleistung sollten die restlichen Kraftwerke noch 2.500 Terrawattstunden Strom produzieren dürfen.

In einem internen Papier des Umweltministeriums wurde der Vorschlag abgelehnt: Er würde bedeuten, das offen bliebe, wann das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet wird. Aus dem gleichen Grund will sich Jürgen Trittin auch nicht auf den Plan der Industrie einlassen, die Gesamtlaufzeiten der AKWs in Volllastjahren zu berechnen.

Die Vertreter der Atomindustrie ziehen längst nicht mehr an einem Strang. Einige finden Trittins Vorschlag gut, dass die Gesamtlaufzeit flexibel gehandhabt werden soll. Den großen Konzernen böte das die Möglichkeit, einen unrentablen Meiler früher abzuschalten und einen rentableren länger laufen zu lassen. Ein Konsens mit der Regierung ist deshalb durchaus möglich. Im Dissensfall würden die Betreiber gegen das geplante Ausstiegsgesetz vor das Verfassungsgericht ziehen. Für die Industrie, aber auch für die rot-grüne Regierung ein riskantes Unterfangen.

Egal, ob es zu einer Einigung mit den Betreibern kommt – die Bundesregierung muss im kommenden Jahr ein Atomausstiegsgesetz vorlegen. Bevor es verabschiedet wird, kann der Parteitag der Grünen im März dazu sein Votum abgeben. Ärger droht dem Umweltminister von der Basis. Einige Mitglieder aus Rheinland-Pfalz wollen eine Urabstimmung zum Thema Atomausstieg durchsetzen.

Tina Stadlmayer, Berlin