Daddelspaß in der Kunsthalle

■ Beep-Beep-Pow-Bang-Whoom ... In der Kunsthalle stehen die Klassiker unter den Videospiel-Automaten zur Benutzung bereit / Bei den Älteren macht sich Nostalgie breit – zieht Retro-Schick die Jugend an?

Dicht an dicht drängen sich die Jugendlichen. Sie feuern aus allen Rohren. Einige sind schon völlig eingetaucht in die Automaten-Welt, registrieren die Realität nicht mehr. Diese Konzentration brauchen sie, wenn sie den Hi-Score knacken wollen.

Die Rede ist nicht von einer heruntergekommenen Spielhölle in einer ebenso heruntergekommenen Vorstadt. Die Rede ist von Bremens altehrwürdiger Kunsthalle. Wenn man die heiligen Hallen des Musentempels betritt, scheint noch alles ganz normal zu sein. Drei Stockwerke Hochkultur; bei den alten Meistern mufft es sogar standesgemäß ein wenig. Doch auf dem Weg nach oben mischen sich fremde, elektronische Geräusche in das ehrfürchtige Murmeln der kunstbeflissenen Besucher.

Der Aufseher hat seinen Stuhl vor dem Cage-Raum unter dem Dach aufgestellt und achtet darauf, dass die Tür immer wieder geschlossen wird. „Sonst wird man hier wahnsinnig“, sagt er. In der Tat tut sich hinter der Glastür ein kleines Inferno auf: Beep-Beep-Pow-Bang-Whoom-Chick-Chick-tackattack ... tönt es in ohrenbetäubender Lautstärke wild durcheinander. Die Geräusche sind verstärkte Sounds von einer ganzen Batterie Spielautomaten, die das Herzstück einer Installation bilden. Der Amerikaner Jason Rhoades hat sie in zwei Reihen so eng gegenüber gestellt, dass in dem tunnelartigen Zwischenraum kaum Platz für Menschen bleibt.

Die Teenager stört das wenig. Für sie zählt, dass die Daddelautomaten funktionieren – ohne Münzeinwurf. Sie ziehen den Hintern ein, quetschen sich in die schmale Gasse und hämmern auf die Knöpfe, was das Zeug hält.

Leider hält das Zeug nicht mehr allzu viel, handelt es sich doch ausnahmslos um historisches Gerät. „Die ersten Automaten sind schon kaputtgespielt“ sagt Techniker Gerald Höns. Seine Firma hat ihn für die Dauer der Ausstellung eigens zur Wartung abgestellt. „Mal sehen, ob ich irgendwo Ersatzteile herkriege. Sonst muss ich was improvisieren.“ Nur was Rhoades' Installation mit Kunst zu tun hat, will dem Mann nicht einleuchten, der sie funktionsfähig hält. „Kunst muss wohl vor allem teuer sein.“ sagt Höns. „Die ganzen Dinger haben sie aus Amerika schicken lassen und mit Trafos an 220 Volt angepasst. Dabei hätten wir die gleichen im Schrottlager stehen gehabt.“

Fürs erste sind einige Automaten außer Betrieb. Die Schüler müssen sich also noch mehr drängeln als ohnehin schon. Eigentlich sind sie zum Zeichnen gekommen und nicht zum Daddeln, aber der Kunst-erzieher nimmt es gelassen. Heute steht der Spaß an der Kunst(halle) im Vordergrund.

Klassiker wie „Defender“ oder „Pac Man“ vermögen ältere Semester ohne weiteres in ihre Jugend zurückzuversetzen. Gerald Höns weist auf die besondere Rarität der Kollektion hin: Der „Pong“ von Atari mit der Seriennummer 003 ist eines der ersten Videospiele überhaupt. Das simple Ping-Pong-Spiel in kontrastarmen Graustufen lockt heute allerdings niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Höns schwelgt dennoch in alten Zeiten: Er selbst hatte noch vor dem „Pong“ ein eigenes Spiel konzipiert, das über einen Fernseher lief. „Damit haben wir Neujahr 1972/73 im Spielrausch verpasst“, sagt der Veteran der Szene.

Erstaunlich ist, welche Faszination die Videospiele der ersten und zweiten Generation auf die Play-Station-verwöhnten Teenager ausüben. Die Renner der siebziger und achtziger Jahre müssten ihnen eigentlich altbacken vorkommen. Vielleicht ist es der Retro-Trend auf dem Spielemarkt, dem sie folgen. „Die ganzen alten Dinger werden doch inzwischen für den PC neu aufgelegt“, weiß Höns. Und gestandene Software-Entwickler machen sich heutzutage daran, Spiele im Retro-Stil zu entwickeln: Mit den technischen Möglichkeiten von heute und der Ästhetik der frühen Achtziger.

Wahrscheinlich ist den Jugendlichen aber all das vollkommen egal und sie finden Ballern einfach besser als Zeichnen. Wenn ihre Eltern wie jeden Tag fragen: „Wie war's in der Schule?“ werden sie vermutlich „geil“ antworten. Vielleicht zieht es sie ja mal wieder in die Bremer Kunsthalle ... not

„Damenwahl“ bis zum 13. Februar in der Kunsthalle, Am Wall 207. Di 10-21, Mi-So 10-17 Uhr.