Küsse in Klasse 9a

■ Neu im Kino: „Raus aus Åmål“ läßt zwei Mädchen zueinanderfinden

Fucking Åmål, heißt Lukas Moodyssons Film im Original, und es ist gar nicht so leicht, in dieser ziemlich langweiligen schwedischen Kleinstadt den richtigen Menschen ins Bett zu kriegen. Besonders, wenn man lesbisch ist. Neue Moden tauchen hier erst auf, wenn sie andernorts für out erklärt wurden. Nicht umsonst thronen auf dem Wort Åmål zwei kleine, süße Nullen. Deshalb wohl motzt die 14jährige Elin so supercool, als wäre sie Ellen Barkin in „Big Easy“: “Weißt Du, was Null mal Null ist? Genau soviel interessiert es mich, was irgendwer hier von mir denkt.“

So ein kleines bisschen mieser Ruf als Schlampe findet sie echt stark. Zu einer Åmål-typischen Null will sie jedenfalls niemals werden. Deshalb übergießt sie Leute, die sie nicht mag, mit Milch, bedroht harmlose Jungs mit der Klobürste, spuckt von Autobahnbrücken auf Autos und entscheidet sich bei der Wahl zwischen mehreren Partys für die definitiv unangesagteste – und trotzdem bleibt der Blues der Langeweile.

Was bleibt einem schon an Protesthaltung, wenn RAF-Zeichen und Che-Plakat ausgestorben sind. Unter den Gesten der Unbotmäßigkeit für Neuntklässlerinnen ist die Auswahl nicht eben groß und toll. Toll ist auch nicht Elins Zukunftsperspektive. Werden möchte sie „Model oder Psychologin“, reichen wird es nur für Hairstylistin oder KFZ-Mechanikerin. Und als sie sich in die Mitschülerin Agnes verliebt, ist ihr natürlich nicht mehr so gaaaanz egal, was die Welt von ihr denkt.

Den Weg von Schein-Unangepasstheit zum wirklichen Mut zum Anderssein zeigt der Film mit pädagogischem Impetus. Deshalb sagt der gerade mal 30 Jahre alte Regisseur Sätze wie: „Doch ich meine es ehrlich, wenn ich sage, dass ich die Verantwortung habe, die positiven Möglichkeiten des Menschen zu zeigen. Meine größte Herausforderung ist es, glaubhafte Happy-Ends für schwere Konflikte zu finden.“ Happy-End ist für so einen natürlich die Liebe, was sonst.

Erotik aber existiert in diesem Film fast nur in Form von Liebeskummer, schamhaften Blicken und Geliebtes-Bild-aus-dem-Klassenfoto-ausschnipseln. Selbst im Traum geht es über ein sanftes Streicheln durchs Haar nicht hinaus. Die Charakterisierungen beschränken sich meist auf die typischen Teenie-Schubladen rotz-frech, schüchtern und – nur bei Jungs, hihi – hackedoof. (Dafür ist Hundsgemeinheit für Mädels reserviert.) Lustige Ausnahmen: eine Philosophie des Kakao-Zubereitens und Fachgespräche unter Jungs über („Meines ist kleiner.“ - „Nein meines.“), ja genau, über Handys.

Es muss wohl an den beiden erzsympathischen jungen Hauptdarstellerinnen liegen, dass dieser Film von allen KritikerInner der Berlinale innigst geliebt wurde und in Schweden gar manche Publikumsrekorde brach. bk

Filmstudio tägl. 15 Uhr, 17.30 Uhr, 20 Uhr