Flauschige Fellpostkarten

Am schönsten sind sie frisch und sorgfältig von Hand gemacht:

Eisig zerrte der Wind an meinen Ohren. Auf der Suche nach etwas Herzenswärme streifte ich durch die Gassen. Der vierte Advent war nah. Eine kleine Freude sollte die Lieben in der Ferne beglücken.

Schon ließen die Ladenbesitzer die Rollläden herab. Die Tränen stiegen mir hoch, da erblickte ich Licht in einem kleinen Schaufenster. Fellpostkarten hingen im Ständer davor. So warm, flauschig und rosa. Verzückt rieb ich meine Wange an ihnen. „Fake Furries, printed and handmade in Germany“, stand auf der Rückseite. Aber auch „bizarr“.

Ich betrat den Laden. Wenn auch bizarr, immerhin von Hand gemacht. Das hatte Großmutter schon zu Großvater gesagt, als er noch im Park die Flamingos anwichste. Solch ein Fellchen würde sie sicherlich freuen. Drinnen in der warmen Stube schwangen Glöckchen zart in der aufsteigenden Luft über dem Adventskranz, es duftete nach Weihnachtsgebäck, von dem mir der Verkäufer nicht anbot.

„Eine Fellpostkarte?“, schob er widerwillig zwischen Bartstoppeln hervor. „Eine handgemachte“, bewies ich Fachkenntnis. Ein Lächeln überflog sein Gesicht: „Ahhh, ein Kenner. Wollen Sie etwas Besonderes? Eine ganz frische, noch warme für die Liebste daheim? Frisch gemacht wärmen sie noch Stunden, harharharhar“, brach er in Gebrüll und Lachen aus.

Er packte meinen Arm, zog mich zur Tür in der Hinterwand. „Sie wollen doch bestimmt selbst aussuchen.“ Er griff den Vorschlaghammer, der am Türrahmen lehnte, und zog ihn hinter sich her die Treppe in den Keller hinab. Bei jedem Aufschlag des schmierigen Metallkopfes auf der nächsttieferen Treppenstufe ging ein zartes Sirren durch den Raum. Es kam aus den Metallbehältern, die sich in den Regalen bis zur Decke stapelten. „Was ist das?“, fragte ich ängstlich. „Die Postkartentierchen natürlich, harharhar“, lachte mein Führer auf, wieherte, hielt sich den Bauch, wischte die Freudentränen aus den Augen. „Ja, sie kennen das Geräusch schon.“

Er schleppte den Hammer in die Mitte des Raumes, wo Säcke voller roter, gelber, blauer, grüner M & Ms standen. „Ich muss sie erst einmal füttern, damit sie die Farbe nicht verlieren. Welchen wollen sie denn, dem gebe ich dann nichts, sonst klebt die Karte nachher so.“

Die Tür war zugefallen. Ich war allein hier unten. „Einmal von den blauen.“ – „Die sind da hinten. Schwer auseinander zu halten, bis zum Ende bleiben sie außen ja grau. Nur innen werden sie reif, bunt und saftig. Man darf nicht zu früh ernten, dann können die Innereien nicht das ganze Fell durchtränken“, sprudelte es aus dem Fellpostkartenmacher hervor. „Aber sie kennen das ja als Experte. Endlich jemand, mit dem ich reden kann. Denken Sie, es interessiert die Ignoranten die harte Arbeit hinter dem flauschigen Schein? Der Dünnschiss, den Postkartentierchen von zu viel M & Ms kriegen? Oder dieser Quatsch mit der artgerechten Haltung.“

Er spuckte und schrie, der Hemdkragen platzte, als der Hals erneut anschwoll: „Palmen haben die bei sich in der Südsee. Hier sollen die gefälligst viereckig werden. Wenn man die erst mal quadratisch hämmern muss, ist das ganze Fell stumpf. Wir machen hier doch keine Würste, sondern FELLPOSTKARTEN!“

Der Schweiß rann die Schläfen herab, er tobte, griff ein graues Knäuel aus der Kiste, warf es in die Pressform und hämmerte drauflos. Blau spritzten die Innereien umher, ein wenig roch es nach Erdnuss und Schokolade. Ich würgte, lief die Treppe hinauf, stürzte in den Laden. Hinter mir der Postkartenmacher. Er brüllte. Zwei blond pferdbezopfte Studentinnen der Kommunikationswissenschaft rieben sich im Laden mit roten Bäckchen an den Flauschkarten. Ich erbrach mich im Vorbeilaufen über ihre Sommersprossen, Tigerentenanhänger, Wachsjacken und Didl-Schlüpfer.

Die Kellertür donnerte auf, als ich auf die Straße stürmte. Hinter mir hörte ich Knochen splittern und Fleisch zerplatzen. „Briefbögen, Malpapier, Tapeten mache ich aus euch, harharhar“, brüllte der Fellpostkartenmacher in den Adventsvorabend hinaus.

Konrad Lischka