Reue und Skepsis

■ DaimlerChrysler entschädigt Zwangsarbeiter. Peek & Cloppenburg prüft noch. Unter Mitarbeitern der Firmen sind die Zahlungen umstritten

Die brutale Ausnutzung von NS-Zwangsarbeitern auch in Berliner Betrieben ist bei den heute dort Beschäftigen kaum ein Thema – trotz einer intensiven Debatte in den Medien. Darüber hinaus wollen oder können sich viele nicht zu der Frage einer angemessenen Entschädigung äußern. Und wenn, dann nur, ohne den Namen zu nennen.

Im Bekleidungshaus Peek & Cloppenburg in der Schloßstraße in Steglitz, einem gutbürgerlichen Stadtteil im Berliner Westen, haben die angesprochenen Angestellten zum ersten Mal etwas von der dunklen Vergangenheit ihres Unternehmens gehört. Laut Recherchen des Heimatmuseums Berlin-Lichtenberg hat Peek & Cloppenburg hunderte von Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa allein in Lichtenberg für sich schuften lassen (siehe Kasten).

„Ich enthalte mich dazu jeder Stimme“, sagt eine Abteilungsleiterin in der Schloßstraße. Sie habe alle Hände voll zu tun. Ein Verkäufer in der Anzugabteilung wundert sich, „wo das gewesen sein soll“. Das müsste erst einmal ergründet werden, bevor sich etwas sagen ließe.

Ein anderer ist sichtlich erschüttert: „Bis zu uns ist da noch nichts durchgedrungen.“ Sollte P & C Zwangsarbeiter beschäftigt haben, müsse sich die Fima in jedem Fall an dem Entschädigungsfonds der Deutschen Wirtschaft beteiligen. „Ich bin mir sicher, dass sich unsere Firmenleitung vernünftig entscheiden wird.“ Allerdings gäbe es wichtigere Probleme, die die Kollegen bewegten. Die Sonntagsarbeit brenne gerade jetzt in der Weihnachtszeit unter den Nägeln.

Belästigt fühlt sich ein Verkäufer, der T-Shirts zusammen legt. „Nach zwei, drei Generationen muss Schluss sein mit der ganzen Geschichte“, sagt der junge Mann mit sächsischem Akzent. Sonst würden die Deutschen noch in 50 Jahren davon verfolgt: „Letztlich zahlen wir alle das Geld.“

Erschüttert reagiert ein anderer im Azubi-Alter: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass P & C so etwas gemacht hat.“ Wenn die Firma sich an Zwangsarbeitern bereichert habe, müsse sie auch Entschädigungszahlungen leisten.

Das sieht auch eine ältere Verkäuferin in der Damenabteilung so. Ihre Begründung: „Andere haben ja auch Entschädigungen gekriegt, die Ostler zum Beispiel.“ Dennoch misstraut sie den Opfern. Man müsse genau überprüfen können, wer Geld bekommen dürfe, fordert die Verkäuferin. „Sonst könnte ja jeder kommen.“

Eine andere ist skeptisch, ob ihre Firma überhaupt Geld für Entschädigungszahlungen habe. „Sie wissen ja, wie die Marktlage ist.“

Vor dem Werkstor von DaimlerChrysler in der Marienfelder Daimlerstraße gehen die Meinungen weit auseinander. Ein türkischer Werkzeugmacher ist sauer auf seinen Konzern: „Die müssten viel mehr zahlen, die Leute sind ja geschädigt worden für immer.“

Ein Elektriker findet es richtig, dass sich Daimler an dem Fonds federführend beteiligt hat. „Das ist ja nötig gewesen wegen unserem Image in den USA.“ In Marienfelde drängten aber andere Probleme wie die Rationalisierungspläne des Konzerns.

Groß ist die Unwissenheit in der benachbarten Betriebskrankenkasse. Zwei Mitarbeiterinnen jedenfalls haben noch nie etwas von dem Thema Zwangsarbeiter gehört.

Ein Gabelstaplerfahrer macht die Opferanwälte zum Hauptproblem in der Entschädigungsdebatte. „Wenn die Zwangsarbeiter das Geld kriegen würden, wäre es ja gut.“ Das meiste steckten aber die Anwälte ein, behauptet der Mann. Dem widerspricht ein Mechaniker. Die ganze Debatte habe viel zu lange gedauert, jetzt seien die meisten Opfer schon tot. Deswegen müssen nun schnell gehandelt werden.

Ein Abteilungsleiter stimmt dem zu. Daimler hätte viel früher zahlen müssen. Der Mann begrüßt auch, dass sich der Bund an dem Fonds beteiligt. „Schließlich hat das ganze deutsche Volk hat von den Zwangsarbeitern profitiert.“

Richard Rother

Bericht Seite 7