Stifter fallen nicht vom Himmel

Ist privates Geld bei der Kulturfinanzierung wirklich bäh? Warum man die Debatte um das Stiftungsrecht nicht der konservativen Seite überlassen sollte ■ Von Katrin Bettina Müller

Es ist schon über ein Jahrtausend her, dass fromme Stifter eine eigene Kunstgattung hervorbrachten. Dem Bau von Spitälern und der Ausstattung von Kirchen ließen sie die Erträge ihrer Güter zugute kommen in der Hoffnung, so die Fürsprache der Heiligen vor Petri Tür zu gewinnen. Damit die himmlischen Heerscharen ihre irdischen Helfer auch ja nicht vergaßen, ließen sie sich von den Malern klein und betend an den Rand der heiligen Bilder setzen. Manchmal gar lächelten die Heiligen mit den Gesichtszügen der Stifter.

Etwas von diesem Abglanz umschwebt die Stifter noch immer. Auf der sicheren Seite der Hochkultur wähnt man Stiftungen, auch wenn sie sich in innovativen Projekten ebenso wie in prestigeträchtigen engagieren. Deshalb wurde die Debatte um Stiftungen lange der konservativen Seite überlassen.

„Dass nur öffentliche Gelder gut sind und privates Geld bäh ist“, hält Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, für eines der dümmsten Vorurteile in einem Kulturbetrieb, der mit Subventionen groß geworden ist. Problematisch schlägt sich in dieser Bewertung das Fehlen einer scharfen Trennung zwischen Stiftungsleistungen und Sponsoring nieder, die beide als Finanzierungsmodelle des „Dritten Sektors“ gelten.

Im Sponsoring, weiß Zimmermann aus seiner ehemaligen Beratertätigkeit, werden Werbeleistungen des Gesponserten von den Unternehmern verlangt und Künstler noch Jahre später mit irrealen Einkommensteuerforderungen verfolgt. Stiftungen aber, betont Zimmermann, könnten etwas ganz anderes sein. Er wirbelt zur Zeit auf Ausschüssen und in Tagungen für eine Reform des Stiftungsrechts.

Um eine Neubewertung von Stiftungen bemüht sich seit einigen Jahren Antje Vollmer in der Politik der Grünen. Sie sieht in ihnen ein Instrument, das gesellschaftspolitische Ideal der Bürgergesellschaft umzusetzen. Wie ein verlängerter und mit mehr Macht ausgerüsteter Arm von Bürgerinitiativen könnten Stiftungen dazu beitragen, dass der Einzelne seine Identität nicht nur als Marktteilnehmer, sondern auch in der Gestaltung seiner Umwelt findet. Das unzeitgemäße Image der Stiftungen übersieht deren Potenzial, innovative Wege zu finden, argumentiert die Politikerin. Gerade die Dauerhaftigkeit von Stiftungen erzeuge den Druck, für die jeweiligen Probleme der Zeit neue Lösungen zu finden.

Aus diesen Motiven war Antje Vollmer federführend bei einer Vereinbarung der Koalition, Stiftungen zu erleichtern. Die Reform gerade jetzt anzupacken, wird auch stimuliert durch den Blick auf die Vermögen, die in den nächsten zehn Jahren in Deutschland vererbt werden: 300 Milliarden Mark im Jahr wird geschätzt. Die Kulturpolitiker der SPD schlossen sich dem Vorhaben vor allem mit dem Argument an, dass angesichts des finanzpolitischen Sparkurs und der Knappheit der kommunalen Kassen neue Geldquellen erschlossen werden müssen. Schon setzte Kulturstaatsminister Naumann die Reform des Stiftungsrechts auf die Habenseite seiner Bilanz nach dem ersten Jahr im Amt.

Für Erfolgsmeldungen ist es aber noch zu früh. Denn der am vergangenen Donnerstag im Bundestag diskutierte Entwurf der Koalition betrifft nicht das Stiftungsrecht selbst, sondern das Stiftungssteuerrecht: Er sieht eine Erhöhung der Abzugsfähigkeit von Zuwendungen bis zu 40.000 Mark vor und will ermöglichen, dass Stiftungen ein Drittel (statt wie bisher ein Viertel) ihrer Erträge in die Werterhaltungsrücklage stecken können. Den Forderungen nach Vereinfachungen und bundeseinheitlichen Regelungen für die Errichtung von Stiftungen trägt er bisher keine Rechnung. Da geht ein Antrag, den die CDU/CSU im Bundestag eingebracht hat, weiter.

Nicht ausreichend ist es, meint Olaf Zimmermann vom Kulturrat, wenn demnächst allein die Änderung des Steuerrechts beschlossen würde und die Regierung ihr Koalitionsgespräch damit eingelöst sähe. Denn für ein stiftungsfreundliches Klima hält er eine Neudefinition von Stiftungen für notwendig, die sie vom Ruf der Steuerabschreibung befreit und damit ihrem größten Widersacher, dem Finanzministerium noch unter jeder Regierung, die Argumente nimmt. Deshalb setzt der Kulturrat in seinen Empfehlungen auf Gemeinnützigkeit als wichtigstes Kriterium, um zum Beispiel Familienstiftungen, die dem Erhalt des Vermögens einer Familie eines Unternehmens dienen, unmöglich zu machen.

Negative Schlagzeilen, wie sie die Hertie-Erben mit ihren Familienstiftungen machen, kann sich die Stiftungspolitik nicht mehr leisten. „Das eingebrachte Kapital ist für den Stifter unwiederbringlich verloren“, sagt Zimmermann; deshalb sollte es nicht zuvor versteuert werden müssen.

Erst dann könne man mit wirklich großen neuen Stiftungen rechnen, die den Anteil der privaten Finanzierung der Kulturausgaben, der bisher auf drei bis vier Prozent geschätzt wird, auf neun oder zehn Prozent steigern könnten. Zimmermann rechnet mit einer Faustregel vor: Für ein jährliches Budget von einer Million Mark, etwa um eine Inszenierung an einem Opernhaus oder Theater zu ermöglichen, ist ein Stiftungsvermögen von 20 Millionen notwendig. Da hilft die Abzugsfähigkeit von 40.000 Mark noch nicht viel.

Diese Summe wird vielmehr als ein Baustein für das in Deutschland neue Modell der Bürgerstiftungen gesehen, für das sich Politiker der Grünen und der FDP stark machen. Da steht die Identifikation mit der Stadt und die Investition in die eigene Lebenswelt im Vordergrund. Bürgerstiftungen werden als „sozialer Kitt“ propagiert und gegen das Auseinanderdriften der Erlebnisgesellschaft in unterschiedliche Szenen mobilisiert. Die Stadt-Stiftung Gütersloh, die 1996 von der Bertelsmann-Stiftung angeschoben wurde, hat beim Ausbau von Jugendtreffs geholfen, Theaterstücke zur Drogenproblematik gefördert, Projekte für die Integration junger Spätaussiedler mit enwickelt und Computer an Schulen zur Verfügung gestellt. Einen ähnlichen Weg schlägt die Bürgerstiftung Hannover ein.

Stiftungen in diesem Sinn als politisches Zeichen eines Paradigmenwechsel zu fördern, findet Rupert Graf Strachwitz wichtiger denn ihre Funktionalisierung als Lückenbüßer öffentlicher Haushalte. Er leitet das Maecenata-Institut für Dritte-Sektor-Forschung, das die Reform des Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrechts mit einer Expertenkommission begleitet.

8.000 Stiftungen sind in der Datei des Maecenata-Instituts für Deutschland verzeichnet, zehn Prozent widmen sich kulturellen Themen. Strachwitz ist vorsichtiger als der Kulturrat in seinen Prognosen, was die Kapazitäten von neuen Stiftungen betrifft. Er hält auch GmbHs und Fördervereine für wichtige Instrumente einer privaten Kulturfinanzierung. Die Stärke von Stiftungen sieht er weiter in dem Bereich, Sammlungen zu erhalten, Stipendien zu vergeben und Nachwuchs zu fördern. Theater dagegen wären mit Fördervereinen besser beraten.

Zur Zeit sind alle Fraktionen in der Regierung und der Opposition mit Reformentwürfen beschäftigt. Die Länder, die das Stiftungsrecht bisher unterschiedlich handhaben, beteiligen sich endlich an der Diskussion.

Bei einer ersten Klärungsphase im Kulturausschuss des Bundestages letzten Mittwoch sprachen sich die meisten dafür aus, die steuerrechtlichen Fragen vor den zivilrechtlichen anzupacken. Verbände laden zur Präsentation von Gesetzesformulierungen ein. Nur die eigentlich Betroffenen in der Kultur nehmen kaum teil an der Debatte. Dort versucht man noch die Erfahrungen mit dem Sponsoring, dem letzten Zauberwort einer um Alternativen verlegenen Kulturpolitik, zu verdauen. Bei Stiftungen bewirbt man sich; an ihrer Konstituierung mitzuarbeiten, liegt fern.

Aber Stifter fallen nicht vom Himmel; auch wenn sie vielleicht dahin kommen.