Ökolumne
: Die Schiene quietscht

Mit der Güterbahn DB Cargo rückwärts ins neue Jahrhundert

Die Deutsche Bahn AG hat mit Hartmut Mehdorn seit zwei Tagen einen neuen, einen „zupackenden“ und „kommunikationsfreudigen“ Vorstandschef. Und alle hoffen, dass er kräftig Feuer im Kessel macht, damit die Bahn ihr Verliererimage endlich wieder loswird. Kommt jetzt das Ende der geregelten Schalterstunde, der Aufbruch zum modernen Transport-Dienstleister – Schaffnerlächeln inklusive?

Zu besichtigen ist der ewige Loser derzeit in den Jahresbilanzen der Güterbahn „DB Cargo“, der ungeliebten Tochter der Bahn-Holding. Ihre Talfahrt gehört zu den grausamsten Misserfolgen der Nachkriegspolitik. Und um noch mehr Wasser in den Wein zu gießen: Sie wird sich in den nächsten Jahren noch beschleunigen, die Notbremse funktioniert nicht, die Schiene quietscht bedrohlich.

Während Industrie, Bürger, Spediteure und Politiker Schulter an Schulter mehr Güter auf das Gleis hieven wollen, will die Bahn selbst eher das Gegenteil. Cargo-Chef Eberhard Sinneker hat es unverblümt angekündigt: „Wir werden unser System rigoros durchforsten und alle unrentablen Verkehre abstoßen.“

Auf Deutsch: DB Cargo wird künftig ganz bewusst noch weniger transportieren und sich auf lukrative Reststrecken auf der langen Distanz beschränken. Keine Verlustfahrten mehr, nur dort verkehren, wo die Kasse stimmt. Die Strategie der Güterbahn für das nächste Jahrhundert heißt Rückzug auf ein kleines Marktsegment, Gesundschrumpfen, und: Lasst mich bloß in Ruhe!

Dabei ist der Bahnanteil am Transportkuchen ohnehin dramatisch geschrumpft: In diesem Jahr beträgt er nur noch 8 Prozent. In den 60er-Jahren waren es 38 Prozent. Wollte die Bahn heute nur jeden zehnten Lkw auf der verstopften Autobahn ersetzen, müsste sie ihren eigenen Anteil glatt verdoppeln.

Bisher war der Rückgang schleichend wie eine chronische Schwindsucht. Jetzt ist er gezielte Cargo-Politik, vom Unternehmen selbst beabsichtigt. Und die Politik liefert schon den tränenreichen Nachruf: „Offenkundig haben wir die Möglichkeiten des Staates zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene stark überschätzt“, seufzt NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück. Man müsse endlich aufhören, die Verkehrswende in Aussicht zu stellen. Ergo: Schluss mit dem Verlagerungswahn! Es lebe der Stau!

Wen darf man jetzt verprügeln? Die Cargo-Manager oder die Politik? Zuerst, Sie ahnen es, ist die Politik dran. Sobald Politiker über das Bahnfiasko reden, sagen sie dreierlei. Erstens: Wir müssen endlich Chancengleichheit herstellen, den Lkw verteuern und die Trassenpreise für die Bahn senken. Richtig! Aber tatsächlich hängt die gesamte Wirtschaft inzwischen am Tropf des Lkw, und die Politik traut sich nicht.

Zweitens: Solange in Europa Kleinstaaterei mit nationalen Eisenbahnen herrscht und internationale Transporte an jeder Staatsgrenze 20 Stunden warten, muss die Bahn scheitern. Schon wieder richtig! Aber nur die Politik kann in Brüssel die Güter aufs europäische Gleis setzen und den grenzüberschreitenden Verkehr beschleunigen.

Drittens: Wir brauchen mehr Wettbewerb auf der Schiene, dann wird alles gut. Womöglich auch richtig, nur werden wir das so schnell nicht erfahren, weil: Der alle Wunden balsamierende Wettbewerb kommt nicht zu Stande. Bahnfahren ist unrentabel und mit riesigen Anfangsinvestitionen verbunden, da gibt es nicht die jungen dynamischen Unternehmen des Telefonmarkts. Loks sind teurer als Handys. Und die ehemals staatlichen Eisenbahngesellschaften Europas machen sich gewiss keine Konkurrenz: Fährst du nicht bei mir, fahr ich nicht bei dir!

Das politische Versagen lässt sich aber auch an Kleinigkeiten schön illustrieren. Beispiel: Seit vier Jahren gibt es elektronische Lkw-Waagen, die für wenig Geld in die Autobahnspur versenkt werden. Sobald die überladenen Laster – jeder fünfte ist zu schwer und verschafft sich illegal Marktvorteile – drüberrollen, werden sie gemessen und fotografiert. Die Waage amortisiert sich durch Bußgelder und spart darüber hinaus Millionen an Straßenbaukosten. Ein einziger überladener Laster runiert die Piste stärker als 500 Autos.

Und wer hat solch wunderbare Wagen, um die Laster zu erleichtern? Bayern! Und wer hat keine? Rot-Grün und die anderen Schwätzer! Manfred Kriener