Scharfer Appell der G 8 an Moskau

■ Außenminister fordern russischen Amtskollegen zu sofortiger Feuerpause auf. Fischer regt Regionalkonferenz an. Russische Truppen verstärken ihre Offensive in Tschetschenien

Grosny/Berlin (dpa/AP/AFP) Russland ist gestern beim G-8-Außenministertreffen in Berlin zur sofortigen Einstellung der Angriffe in Tschetschenien aufgefordert worden. „Mehrere“ Außenminister der sieben führenden Industrienationen (G 7) hätten ihren Kollegen Igor Iwanow bei den Beratungen am Vormittag zu einer „sofortigen und dauerhaften Feuerpause“ aufgerufen, teilte Bundesaußenminister Joschka Fischer (Die Grünen) mit. Der Chef der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Knut Vollebaek, der am Donnerstag aus dem Kriegsgebiet zurückgekehrt war, beklagte, Iwanow habe in Berlin kein Einlenken signalisiert. US-Außenministerin Madeleine Albright warnte, durch den „unannehmbaren“ Krieg in Tschetschenien sei Russland dabei, sich selbst zu isolieren.

Vollebaek betonte, notwendig sei ein breiter Dialog unter internationaler Beteiligung. Nicht nur der tschetschenische Präsident Aslan Maschadow müsse in die Verhandlungen einbezogen werden, sondern auch Vertreter aus Dagestan und Inguschetien.

Fischer sagte ebenfalls, nach Angaben Moskaus gebe es zwar bereits einen Dialog. Dieser müsse jedoch „auf eine breitere Grundlage gestellt“ werden, ohne dass dabei die „territoriale Integrität“ der Russischen Föderation in Frage gestellt werde. Schon aus humanitären Gründen, aber auch wegen des Überfalls muslimischer Fundamentalisten auf Dagestan sollte nach den Worten Fischers eine regionale Konferenz unter Einbeziehung der nordkaukasischen Nachbarn Tschetscheniens stattfinden.

Ferner sei eine Verstärkung der humanitären Hilfe dringend erforderlich, unterstrich Fischer.

Unterdessen setzten russische Streitkräfte gestern ihre Angriffe auf Ziele in Tschetschenien fort. Bodentruppen griffen die Hauptstadt Grosny von drei Seiten aus an. Die Luftwaffe verdoppelte ihre Einsätze. Nach Gefechten mit Rebellen hätten Eliteeinheiten auf tschetschenischer Seite an der Grenze zwischen Tschetschenien und Georgien eine Flucht- und Nachschubroute der Rebellen unter ihre Kontrolle gebracht, meldete die Nachrichtenagentur ITAR-TASS. Die russische Agentur RIA meldete, die Fallschirmjäger hätten keine Verluste erlitten.

Tschetschenische Militärs in Grosny bestätigten unterdessen ein Gefecht zwischen einer Panzereinheit und Rebellen in Grosny nahe dem Minutka-Platz vom Mittwochabend. Dabei seien 102 russische Soldaten getötet worden, meldete Interfax. 20 gepanzerte Fahrzeuge seien zerstört worden. Die russische Führung blieb bei ihrem Dementi.

Die Offensive in Tschetschenien werde bis zum Ende fortgesetzt, kündigte der Minister für Katastrophenschutz, Sergej Schoigu, gestern bei einem Besuch in den von russischen Truppen eroberten tschetschenischen Gebieten an und machte er damit zugleich Hoffnungen auf Friedensgespräche zunichte. „Es wird mit keine politischen Verhandlungen geben“, zitierte ITAR-TASS den Minister.