Kommentar
: Der Bimbeskanzler ■ Kohl ist der eigentliche Dunkelmann der Spendenaffäre

Dieses Bild vom Donnerstagabend wird in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen: Helmut Kohl sitzt auf der Anklagebank und gibt zu, rund zwei Millionen Mark für die CDU persönlich eingesammelt und an den offiziellen Parteikassen vorbeigeschleust zu haben, zwei Millionen in bar, und das Geständnis wird live im Fernsehen übertragen! Der große Helmut Kohl, der Bundeskanzler, der Einheitskanzler, der Europakanzler – für einen kurzen Moment ist er nur noch ein kleiner Bimbeskanzler. Ein gewöhnlicher Gesetzesbrecher. Ein Eierdieb.

Sein Geständnis ausgerechnet im Fernsehen ist so etwas wie ein später Sieg der Medien über die Arroganz des Exkanzlers. Zum System Kohl gehörte ja nicht nur die Entmachtung der CDU und die Unterwanderung der politischen Institutionen, sondern auch die Verachtung der demokratischen Öffentlichkeit. Keiner hat sie so gepflegt wie der Regierungschef selbst. Nach dem Druck der letzten Wochen kam Kohl jedoch, wenngleich ohne jedes Unrechtsbewusstsein, nicht mehr umhin, sich vor eben jener Öffentlichkeit für seinen „schlimmen Fehler“, wie er das selbst nennt, zu rechtfertigen.

Sein Geständnis kommt die CDU finanziell teuer zu stehen. Aber verheerender als vier oder acht Millionen Mark Strafe für unkorrekte Rechenschaftsberichte ist das politische Desaster, das Kohl anrichtet. Mit seinem Geständnis bricht die bisherige Verteidigungsstratgie der CDU in sich zusammen. Insbesondere der Hoffnungsträger der Partei, Wolfgang Schäuble, hat versucht, den Skandal wie ein Buchhalter zu behandeln. Penibel und emotionslos sezierte der CDU-Chef komplizierte finanztechnische Vorgänge. Damit wollte er der Affäre die politische Dimension nehmen. Dunkelmänner waren die Schreibers, Weyrauchs und Leisler Kieps. Helmut Kohl aber erschien in dieser Strategie als ein Weltpolitiker, der gar keine Zeit hatte, sich mit läppischen Kleinigkeiten zu befassen. Spendengelder? Anderkonten? Schwarze Kassen? Ja, davon hatte Kohl schon mal gehört.

Plötzlich jedoch steht fest, dass der Weltpolitiker die Millionen in bar selbst durch die Gegend getragen hat. Wahrscheinlich sogar in kleinen Scheinen. Helmut Kohl ist der eigentliche Dunkelmann der ganzen Affäre. Ein Schalck-Golodkowski des rheinischen Kapitalismus. Jens König