Keine Annäherung in Sachen Welthandel

EU und USA halten an ihren Positionen fest. Erstes Treffen nach Seattle: Verhandlungen auf Januar vertagt. WTO-Reform gefordert

Berlin (dpa/taz) – Gut zwei Wochen nach dem Scheitern der Welthandelskonferenz sind sich die Verhandlungspartner noch nicht näher gekommen. Bei ihrer ersten Sitzung nach dem ergebnislosen Treffen in Seattle konnten sich die 135 Mitgliedsländer nicht auf eine konstruktive Fortsetzung des Dialogs einigen. Stattdessen vertagten sie alle Entscheidungen auf Januar. Einzig über die Aufnahme Jordaniens als 136. Mitglied herrschte Konsens.

Während die Delegierten der Welthandelsorganisation (WTO) am Freitag in Genf tagten, traf sich in Washington US-Präsident Bill Clinton mit amerikanischen und europäischen Handelsbeauftragten. EU-Kommissar Pascal Lamy sagte nach einem Gespräch mit seiner amerikanischen Amtskollegin Charlene Barshefsky: „Wir sind in unseren Positionen immer noch weit auseinander.“ Die US-Handelsbeauftragte drückte es weniger diplomatisch aus: „Wenn die Europäer an ihren Vorschlägen festhalten, wird es keine neue Verhandlungsrunde geben.“

Einig war man sich nur darin, dass die WTO reformiert werden müsse. Mehr Transparenz, mehr Kontakt zu den „gesellschaftlichen Gruppen“ seien notwendig, damit die Organisation in der Öffentlichkeit akzeptiert werde. Das ist die Lehre aus den Protesten während der Konferenz in Seattle: Dort hatten keineswegs nur militante Freihandels-Gegner für Aufruhr gesorgt, vielmehr sahen sich die Delegierten einem breiten Bündnis aus Umweltschützern, Entwicklungsverbänden und Gewerkschaften gegenüber.

Die Verhandlungen in Seattle waren an mehreren unüberwindbaren Gegensätzen zwischen den Handelspartnern gescheitert: Die USA sowie die agrarexportierenden Schwellen- und Entwicklungsländer der Cairns-Gruppe werfen der Europäischen Union vor, durch die Subventionierung ihrer landwirtschaftlichen Produkte und deren Export den Wettbewerb zu verzerren. Die in der „Gruppe der 77“ zusammengeschlossenen Entwicklungsländer wehren sich gegen die Forderung derUSA und anderer Industriestaaten, Sozial- und Umweltstandards einzuführen. Hinter solchen Vorgaben vermuten sie indirekte Handelshemmnisse zum Schutz der reichen Länder.

Weil in Seattle keine Einigung zu Stande gekommen ist, müssen bis Ende diesen Jahres mehrere umstrittene WTO-Abkommen unverändert umgesetzt werden. So dürfen Länder nicht mehr auf einen Mindestanteil einheimischer Komponenten bei der Fertigung von Produkten ausländischer Investoren bestehen – eine Regelung, an der vor allem die Entwicklungsländer festhalten wollen. Die WTO-Botschafter kamen überein, vorerst auf Klagen bei der WTO zur Durchsetzung der neuen Regel zu verzichten. kk