Nazis rufen zum Terror in Berlin auf

■ Erneut ist eine schwarze Liste in der Hauptstadt aufgetaucht: Im „Wehrwolf“ blasen Rechtsextremisten zum Angriff auf Bundestag, Verfassungsschutz und jüdische Restaurants

Die erste Liste wurde bereitsim Sommer bekannt. Die Nazis eifern damit den Gesinnungsgenossen in Schweden nach.

Militante Neonazis rufen zum Terror gegen Bundestagsabgeordnete und jüdische Einrichtungen in der Hauptstadt auf. In einem Dossier mit dem Titel „Der Wehrwolf“ drohen die anonymen Verfasser: „Wer gegen uns vorgeht, hat mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu rechnen, wie immer auch diese aussehen werden!“ Ab sofort sei eine „neue Offensive nationalsozialistischer Gegenwehr“ eingeleitet.

Die Liste der „ermittelten Volksfeinde“ ist lang: Unter den potenziellen Zielen neofaschistischer Anschläge sind die Berliner Bundestagsabgeordneten Günter Rexrodt (FDP), Ingrid Holzhüter und Dankward Buwitt (CDU). Neben den Porträtfotos der Politiker finden sich in der Todesliste auch deren Privatadressen sowie private Telefonnummern. Auch die Anschriften des Bundestags stehen auf der Liste – die Parlamente werden als „democratische Quasselbuden“ diffamiert. Die Dienststelle des Verfassungsschutzes, die ebenfalls ins Visier der Rechten gerückt ist, haben die Verfasser mit dem Vermerk „Achtung: Objekte sind bewacht“ versehen.

Auch jüdische Einrichtungen werden gleich seitenweise aufgezählt. Darunter befinden sich der Zentralrat der Juden in Deutschland, das Centrum Judaicum, die Redaktion der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung, mehrere jüdische Restaurants in Mitte und das Jüdische Krankenhaus. In einer Grafik sind außerdem ein Dutzend Gedenkstätten für Opfer des Nationalsozialismus aufgeführt, etwa das Haus der Wannseekonferenz, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und das Kapitulationsmuseum in Karlshorst.

Als mögliche Angriffsziele werden auch das Antifaschistische Pressearchiv in Kreuzberg und das Büro der Antifaschistischen Aktion in Mitte genannt. Die Niederlassung des Fernsehsenders Sat.1 schließlich schmähen die Autoren als „democratischen Propagandasender“.

In einem skurrilen Anhang werden außerdem die Namen von lebenden und toten Persönlichkeiten aus Politik und Kultur zu einer „jüdischen Weltverschwörung“ zusammengewürfelt. Das Spektrum reicht von Lenin über Inge Meysel bis hin zum ZDF-Sportmoderator Marcel Reiff und der Clinton-Geliebten Monica Lewinsky.

Was mit den so genannten Volksfeinden passieren soll, zeigt die letzte Seite des Pamphlets mit der Überschrift „Solidarität mit den Wehrwölfen der Tat“. Auf ihr werden die Taten von „Frontkämpfern“ wie dem Polizistenmörder Kay Diesner oder dem in den USA zum Tode verurteilten Attentäter von Oklahoma, Timothy McVeigh, verherrlicht: „Kay Diesner nahm die Waffe auf, um uns, die nationalsozialistische Bewegung, zu verteidigen. Dafür müssen wir ihm dankbar sein.“

Als Herausgeber des „Wehrwolfs“ fungiert eine „Anti-Antifa im Weißen Arischen Widerstand“, als Kontakt dient ein Postfach der „Anti-Antifa Saarpfalz“ in Ludwigshafen. Die Forderungen der Gruppe: „Alles, was wir wollen, ist nichts weiter, als Hakenkreuzfahnen zu schwingen, in SA-Uniformen zu marschieren, den Arm zum Deutschen Gruß zu heben und unsere Meinung über Juden äußern.“

Eine erste schwarze Liste der Gruppe war bereits im Sommer öffentlich geworden. Mit der Konzentration ihrer Aktivitäten auf führende Politiker und Multiplikatoren scheinen die deutschen Rechtsextremisten jetzt immer mehr ihren schwedischen Gesinnungskameraden nachzueifern. Dort hatte erst unlängst eine Mordserie Entsetzen hervorgerufen, die unter anderem einen Gewerkschafter und einen Polizisten das Leben gekostet hatte.

Andreas Spannbauer